Das ZDF zeigt die neue Serie „Dr. Klein“, die in Stuttgart spielt. Die kleinwüchsige Schauspielerin Christine Urspruch verkörpert darin eine Kinderärztin, die Leben rettet. Aber kann sie auch das Programm im Zweiten beleben?

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Sie heißt Valerie Klein, ist die frisch ernannte leitende Oberärztin in einer Stuttgarter Kinderklinik – und ziemlich klein. 1,32 Meter, um genau zu sein. Ihr Chefarzt ist homosexuell, die Oberschwester übergewichtig, und der Assistenzarzt hat eine dunkle Hautfarbe. Und da ist noch der gehässige Gegenspieler von Dr. Klein, der gern ihren Posten gehabt hätte, ihn aber nicht gekriegt hat: Er heißt Dr. Bernd Lang und glaubt, weil er „gesund, normal und hetero“ ist, diskriminiert zu werden. Das ist im Wesentlichen das Figurenensemble der neuen Vorabendserie „Dr. Klein“, die an diesem Freitag im ZDF startet.

 

Schon was gemerkt?

Unübersehbar, dass das „Anderssein“ das große Thema dieser Produktion ist, die das ZDF gegen die britische Sitcom „Cuckoo“ ins Rennen schickt, die das Erste ebenfalls von diesem Freitag an ausstrahlt. Christine Urspruch, die kleinwüchsige Schauspielerin, die das Fernsehpublikum vor allem als „Alberich“ aus dem Münster-„Tatort“ kennt, verkörpert die Hauptfigur – wohl selten ist einer Darstellerin eine Rolle so auf den Leib geschrieben worden. Ebenfalls ein populäres „Tatort“-Gesicht aus München ist Miroslav Nemec, der den schwulen Chefarzt spielt. Laut Heike Hempel, der zuständigen Redaktionsleiterin beim ZDF, sei „Dr. Klein“ eine „Medical- und Familienserie, die das Anderssein „humorvoll, politisch unkorrekt und nur am Rande“ erzähle – im Zentrum stünden eine Kinderärztin, Ehefrau und Mutter, ihre Patientenfälle und die Frage: Wie geht heute eigentlich Familie?

Eher binsen- als lebensweise

Doch das ist eine Behauptung, die zumindest die erste Folge „Nach Hause“ nicht einlöst. Darin springt dem Zuschauer aus nahezu jeder Dialogzeile die Botschaft entgegen: Hallo, hier geht es um Vorurteile und Klischees! Die wollen wir aufbrechen! Wir machen das ganz explizit, dann ist es schön lustig. Also werden Frauen, die Chefin sein wollen, als profilsüchtig und neurotisch tituliert, blonde Krankenschwestern sind sexy und intellektuell unterbelichtet, schwule Paare haben schicke Wohnungen, Heteros sind kollegiale Kotzbrocken – und Kleinwüchsige sind Menschen wie du und ich, die es nicht immer leicht haben, den Alltag in Beruf und Familie zu meistern. Doch damit nicht genug: Während Dr. Klein am Schluss der ersten Folge aus dem Off mehr binsen- als lebensweise über Rollenfragen sinniert, veranschaulicht die Kamera die hundertprozentig verkehrten Welten: Der Chefarzt gleitet mit seinem Partner, der sich ein Kind wünscht, sanft aufs Bett, während Macho Dr. Lang in einem Klinik-Kabuff schnellen Rammel-Sex mit der hübschen Krankenschwester hat. Abgesehen von der Ethik-Keule, die die Serie beim Thema Diskriminierung und Rollenklischees vor sich herschwingt, schöpfen der Headautor Torsten Lenkeit und seine diversen Zulieferer die handlungstragenden Dramen und ihre wohlgefälligen Auflösungen aus den Lebensfeldern Familie, Ehe und Krankenhaus – womit sich „Dr. Klein“ als Serien-Durchschnittsware erweist.

Ausgangspunkt ist der berufsbedingte Umzug der Kinderärztin mit ihrer Familie von Frankfurt nach Stuttgart zu Dr. Kleins Vater, dem ehemaligen pensionierten Chefarzt der Rosensteinklinik. Weil er an einer beginnenden Demenz leidet und Valerie Kleins ältere Schwester Carolin nicht mehr allein mit ihm fertig wird, zieht Valerie mit ihrer Familie in die väterliche Villa. Ihr Ehemann Holger, ein Mann von normaler Körpergröße, kann als Philosoph und Buchautor den Haushalt schmeißen und die beiden Kinder Pam und Max versorgen, während die kleine Medizinerin in der Klinik Größe beweist.

Christine Urspruch hätte man weniger mit Botschaften aufgeladene Plots und einen subtileren Witz gewünscht. Dennoch ist die Serie für die Schauspielerin ein Glücksfall. Darstellerisch bietet ihr die Hauptfigur Spielräume, die weit über das hinausgehen, was sie als „Tatort“-Gerichtsmedizinerin und Side-Kick von Jan Josef Liefers bislang zeigen konnte, zumal Valerie Klein keine „strahlende Heldin“ ist, wie Urspruch sagt, sondern „eine Frau mit Stärken und Schwächen, die auch mal einknickt und Fehler macht“. Die Rolle empfinde sie als Explosion, hatte die 44-Jährige während der Dreharbeiten gegenüber der Stuttgarter Zeitung gesagt – sie hat damit nicht übertrieben. Doch auch wenn ihr souveränes Spiel über manch plumpe Stelle hinweghilft: Als Kinderärztin rettet sie im OP Leben – den Vorabend im Zweiten retten vermag sie wohl nicht.