Zecken-Alarm im Landkreis Esslingen Fallzahlen steigen – Region ist ein FSME-Risikogebiet

Bei Zecken auf der Haut ist Vorsicht geboten: Die bissigen Blutsauger können gefährliche Krankheiten wie FSME auf den Menschen übertragen. Foto: dpa/Patrick Pleul

Sie sind klein, gemein und bissig. Zecken sind hinterlistige Blutsauger, die gefährliche Krankheiten auf den Menschen übertragen können. Etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Die Fallzahlen steigen dramatisch an – und auch der Landkreis Esslingen gehört zu den Risikogebieten.

Landkreis Esslingen - Diese Vampire sind auch am Tag aktiv, und sie beißen gnadenlos zu. Zecken sind gefährliche Blutsauger, die Krankheiten auf den Menschen übertragen können. Etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Die Anzahl der Personen, die sich mit dieser Form der Hirnhautentzündung infizieren, ist steigend, wurde auf einer Pressekonferenz der Universität Hohenheim bekannt gegeben. Auch der Landkreis Esslingen wird als Risikogebiet eingestuft.

 

Esslingen ist dunkelblau

Die Gefahr lauert vor allem am Boden. In Vegetationen mit Höhen zwischen 50 Zentimetern und einem Meter beißen Zecken besonders gerne zu, erklärte Professor Gerhard Dobler. Der Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr spricht von dramatischen Entwicklungen: Die Zahl der Erkrankungen habe den höchsten Stand seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 erreicht. Im Vorjahr infizierten sich deutschlandweit 705 Menschen. 2019 wurden in der Bundesrepublik noch 443 Fälle, 2018 insgesamt 583 Erkrankungen gemeldet. Betroffene gibt es auch im Landkreis Esslingen. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg bezifferte die Zahl der Patienten in der Region mit neun Personen im Jahr 2018 und jeweils vier in den Jahren 2019 und 2020. Auf der FSME-Karte des Robert-Koch-Instituts ist der Kreis Esslingen daher dunkelblau markiert und somit als Risikogebiet ausgewiesen. Die gleiche Einstufung haben alle Nachbarkreise, denn ganz Baden-Württemberg gilt als Risikogebiet. Mit einer einzigen Ausnahme: Nur der Stadtkreis Heilbronn ist auf der Gefahrenkarte als weißer Fleck dargestellt, da in den letzten drei Jahren lediglich 2018 ein einzelner Fall zu verzeichnen war.

Hohe FSME-Inzidenzwerte

Im Raum Esslingen sieht es anders aus. Die hohen FSME-Zahlen sind keine neue, unbekannte Situation für den Landkreis, erklärt Gerhard Dobler. In Baden-Württemberg seien in den letzten Jahren keine neuen Risikogebiete ausgewiesen worden, und die Fälle würden sich „in den alt bekannten Landkreisen“ häufen. Basis für die Einstufung ist die Zahl der gemeldeten Erkrankungen zwischen 2002 und 2020, die im Landkreis Esslingen aber schwanken. Die Inzidenz, also die Zahl der Neuerkrankungen in einem Jahr pro 100 000 Menschen, lag in der Region laut Robert-Koch-Institut in dem Fünfjahreszeitraum zwischen 2016 bis 2020 bei einem Wert von 3,35. Die niedrigste Quote eines Fünf-Jahres-Intervalls wurde zwischen 2005 und 2009 gemessen. Da betrug die Inzidenz 0,1. Legt man als Berechnungszeitraum die Jahre von 2002 bis 2019 zugrunde, so stieg die Zahl der FSME-Erkrankungen im Raum Esslingen zwischen 2015 und 2019 auf den höchsten Wert an. In diesem Fünf-Jahres-Zyklus spricht das Robert-Koch-Institut von einer Inzidenz von 3,17. Zum Vergleich: Der Nachbarkreis Göppingen zählte von 2016 bis 2020 eine Inzidenz von 1,75.

Corona und Klimawandel

Bei den Erklärungsversuchen für den Anstieg der Zahlen verwies die Expertenrunde der Pressekonferenz auf ein verändertes Freizeitverhalten, die Witterungsverhältnisse der letzten Jahre und die ökologischen Folgen des Klimawandels. Schuld an der Zunahme sind laut Gerhard Dobler nicht die Reisenden, denn nur in etwa zehn Prozent der Fälle würden Touristen die Erkrankungen aus dem Urlaub mitbringen. Durch die Corona-Beschränkungen aber würden die meisten Menschen nicht mehr verreisen, sondern sich in heimischen Regionen und der freien Natur aufhalten – dort, wo die Zecken lauern. Und wegen der zu warmen Winter und den ganzjährig milderen Temperaturen, so ergänzt Rainer Oehme, seien die Holzböcke das ganze Jahr über aktiv. Dennoch sei die Suche nach Gründen schwierig, so Ute Mackenstedt, Zeckenexpertin an der Universität Hohenheim: „Insgesamt ist das ganze Geschehen sehr komplex. Es gibt offensichtlich Entwicklungen, die zu Veränderungen im Übertragungszyklus führen“.

Der Schutz vor Zecken

Die Impfung In ausgewiesenen Risikogebieten wie dem Landkreis Esslingen empfiehlt Gerhard Dobler bei Aktivitäten in der Natur eine FSME-Schutzimpfung. Etwa fünf Prozent der Betroffenen würden trotzdem erkranken. Gründe dafür seien meist ein nicht vollständiger Impfschutz oder zu lange Zeitabstände zwischen den einzelnen Impfungen. Es würde auch „Impfversager“ geben, die gegen jede Form dieser Art des Krankheitsschutzes immun seien. Doch sein Fazit lautet: „Ohne die Impfungen wären die Infektionszahlen noch viel höher.“

Schutz vor Bissen Zum Schutz vor Zeckenattacken gibt der Experte den Rat: „Nicht in die Natur gehen!“ Denn dort lauerten die Zecken. Wer es dennoch tue, sollte lange Hosen tragen und die Hosenbeine in die Socken stecken. Er empfiehlt zudem helle Kleidung, weil die Zecken darauf besser zu erkennen sind. Wichtig sei nach dem Aufenthalt im Freien zudem ein Absuchen des Körpers nach Zecken vor allem in bevorzugten Bissregionen wie Körperbeugen oder der Leistenregion. Gefundene Tiere sollten sofort entfernt werden, ergänzt Rainer Oehme.

Informationen Aktuelle Karten und Infos finden sich auf den Seiten des Robert-Koch-Instituts unter www.rki.de unter dem dritten Icon auf der rechten Seite mit der Überschrift „FSME: Risikogebiete in Deutschland, Epidemiologisches Bulletin 9/2021 (4.3.2021)“. Auf den Seiten des Landkreises Esslingen unter www.landkreis-esslingen.de stehen Broschüren, Flyer und ein „Erregersteckbrief“. Nach Eingabe des Suchbegriffs „Zecken“ einfach den entsprechenden Button anklicken und dann unter dem Unterpunkt „Gesundheit“ nachlesen.

Weitere Themen