Durch die milden Winter sind Zecken inzwischen fast ganzjährig aktiv. Dennoch gab es 2019 weniger Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Vor allem in Baden-Württemberg sind die Zahlen drastisch gesunken. Doch woran kann das liegen?

Stuttgart - Einst kamen sie pünktlich mit dem Frühjahr und waren noch mal im September aktiv. Doch im Vergleich zu vor 20 Jahren hat sich die Zeckensaison gut drei Wochen nach vorne verschoben, berichteten Zecken-Experten am Montag in Stuttgart. „Teils sind die Blutsauger auch im Hochsommer und sogar bis Weihnachten aktiv“, sagte der Mikrobiologe Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Trotzdem sind in Deutschland 2019 deutlich weniger Menschen an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) erkrankt als im Vorjahr. FSME ist nach der Borreliose die zweithäufigste durch Zeckenstiche übertragene Krankheit in Deutschland. Im schlimmsten Fall endet sie tödlich. „Nachdem 2018 bundesweit noch 607 Fälle gemeldet wurden, liegt die Zahl 2019 bei 462, also 145 Fälle weniger“, sagte die Zeckenexpertin Ute Mackenstedt von der Uni Hohenheim.

 

Das Infektionsrisiko bleibt groß

Die Experten geben jedoch keine Entwarnung, das Infektionsrisiko bleibe groß. Der Rückgang liege hauptsächlich daran, dass die Zahl der Erkrankungen in Baden-Württemberg drastisch gesunken seit: 2018 wurden noch 272 Fälle registriert, 2019 lag die Zahl bei 157, also 115 Fälle weniger. Laut Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt sank etwa die Zahl der Fälle im Landkreis Calw von 27 auf 9. In Bayern, neben dem Südwesten die zweite FSME-Hochburg in Deutschland, gab es 24 Fälle weniger. In den anderen Bundesländern dagegen ist die Zahl der FSME-Erkrankungen gleich geblieben oder gestiegen. Was ist also der Grund für den ungewöhnlichen Rückgang im Land?

„Wir haben noch keine eindeutige Erklärung dafür“, sagte Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt. Die Zeckenaktivität sei 2019 so hoch wie im Vorjahr gewesen. Doch die Wissenschaftler haben eine Vermutung: „Die heißen Sommer sind für den Gemeinen Holzbock, die häufigste Zeckenart in Mitteleuropa, nicht ideal“, erklärte Dobler. Auch das FSME-Virus komme wohl mit der Hitze nicht zurecht. „Zecken, die wir in etwa 300 bis 400 Meter hoch liegenden Gebieten finden, tragen das Virus kaum noch in sich“, so Dobler. Inzwischen seien hauptsächlich Zecken in Regionen auf 400 bis 600 Metern befallen. Die Gefahrengebiete verschieben sich somit zunehmend.

Warnung vor exotischen Zeckenarten

Immerhin: Nachdem im Sommer 2019 Meldungen über Tropenzecken als mögliche neue Quelle für gefährliche Infektionen für Aufsehen gesorgt hatten, gab es nun Entwarnung – vorläufig. „Das Krim-Kongo Hämorrhagische Fieber ist bisher in keiner Hyalomma-Zecke nachgewiesen worden“, sagte Ute Mackenstedt. Nach den ersten Funden in Deutschland hatte die Forscherin dazu aufgerufen, verdächtige Zecken einzusenden. Die Experten warnen dennoch, dass weitere exotische Zeckenarten eingeschleppt werden und hier überwintern können.