Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Eine Entwicklung gibt es allerdings, die nicht nur Angela Merkel freuen dürfte: Unter Akademikerinnen über 30, jener Zielgruppe, die die Kanzlerin einst für das Elterngeld ausgemacht hat, ist die Geburtenrate zumindest minimal angestiegen. Das legen die Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung nahe. Soziologen beobachten gar in der gehobenen Mittel- bis Oberschicht einen Trend zum Dritt-Kind als eine Art Statussymbol. Insgesamt herrsche ein besseres Klima fürs Kinderkriegen, so die Analyse. Aber woran liegt der Klimawandel? An den 25 200 Euro, die Gutverdiener maximal durch das Elterngeld bekommen, wohl kaum, wenn man bedenkt, dass ein Kind seine Eltern bis zum 18. Geburtstag laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich rund 130 000 Euro kostet.

 

Kulturwissenschaftler und Trendforscher sehen das vermehrte Ja zum Kind auch als Ausdruck einer gewissen neuen Bürgerlichkeit, eines Rückzugs ins Private (Cocooning genannt) – in unsicheren, krisengeprägten, globalisierten Zeiten. Die Familie als Bollwerk gegen den Unbill der Welt. Familienforscher hingegen sind sich einig, dass die Entscheidung für oder gegen ein Kind vor allem in Akademikerkreisen das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Rechnung ist, eines „Abwägungsprozesses der Vor- und Nachteile im Hinblick auf die eigenen Lebensziele, Perspektiven und Prioritäten“, wie etwa der emeritierte Oldenburger Familienforscher Wolf-Dieter Scholz schreibt. Faktoren in dieser Rechnung seien unter anderem die Bedeutung von Kindern für das eigene emotionale Lebensgefühl, aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. „Insbesondere für gut ausgebildete junge Frauen wird es zu einer entscheidenden Frage, ob und unter welchen Bedingungen sie Beruf und Familie miteinander so vereinbaren können, dass die beruflichen Ambitionen nicht hinter die Familienverpflichtungen zurück treten“, schrieb Scholz bereits 2007.

Mehr Betreuungsplätze für die Kleinsten

Und tatsächlich hat sich in diesem Bereich geradezu Erstaunliches in Deutschland getan. Das Elterngeld war nur Teil eines familienpolitischen Maßnahmenbündels der schwarz-roten Koalition, zeitgleich beschloss der Bundestag den massiven Ausbau der Kleinkindbetreuung im Land. 2003 gab es in Westdeutschland gerade mal für zwei Prozent der Unter-drei-Jährigen einen Betreuungsplatz (im Osten für 16 Prozent). Kinder zu bekommen bedeutete für die allermeisten Frauen und sehr wenige Männer, drei Jahre lang unbezahlt zu Hause zu bleiben und dabei den Anschluss ans Berufsleben zu verpassen – oder sich mit einem komplizierten Betreuungspuzzle aus Tagesmüttern, Großeltern und teuren privaten Krippen notdürftig zu behelfen.

Gerade einmal zehn Jahre später stellt sich die Situation ganz anders dar: 2016 ging jedes dritte Kind unter drei Jahren in eine Betreuungseinrichtung. Gleichzeitig war etwa jede zweite Frau mit einem Kind im Alter zwischen einem und zwei Jahren – zumindest in Teilzeit – wieder berufstätig. Dass sich mehr Akademikerinnen heute für Kinder entscheiden, hat also sicherlich damit zu tun, dass sie sich – auch wenn das Angebot an Betreuungsmöglichkeiten längst noch nicht ausreichend, vielseitig und flexibel genug ist – nicht mehr zwischen Kind und Beruf entscheiden müssen, sondern beides kombinieren können. Und Frauen müssen sich dafür nicht mehr so häufig schief anschauen lassen.