Über die Ermittler brach eine Welle der Kritik herein, in den Medienberichten war von „Pannen“ die Rede und von „schlampiger Recherche“ – Vorwürfe, die die Polizisten tief getroffen haben. Manche Ermittler von damals sind heute im Ruhestand, manche macht die Erinnerung an damals wütend, anderen kommen die Tränen, wenn sie darüber sprechen. „Einige Kollegen“, sagt die Polizeisprecherin Yvonne Schmierer, „hat dieser Fall krank gemacht.“

 

Immer wieder hatte man unbenutzte Wattestäbchen als Leerprobe ans Labor geschickt, eben um sicherzugehen, dass nicht das Material selbst verunreinigt ist. „Wie der Teufel so will, war an denen aber keine DNA“, erzählt Yvonne Schmierer.

Die tote Kollegin ist unvergessen. Jedes Jahr am 25. April gedenkt die Heilbronner Polizei an der Theresienwiese Michèle Kiesewetter. „Die Frage nach dem Warum beschäftigt uns bis heute“, sagt Hans Becker, der stellvertretende Polizeipräsident.

Clemens Binninger Foto: dpa

Die offenen Fragen kennt kaum einer so gut wie Clemens Binninger. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Böblingen sitzt im Café des Stuttgarter Schlossgartenhotels und bestellt eine Nusstorte. Bevor er im Herbst nach vier Legislaturperioden abtritt, macht ihn der Jahrestag noch einmal zu einem gefragten Mann. Im ersten Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden fungierte er als Obmann seiner Fraktion. Im zweiten U-Ausschuss rückte er zum Vorsitzenden auf. Jetzt ist der ehemalige Polizeikommissar dabei, den Abschlussbericht zusammenzustellen. Es dürfte ein Werk mit 1000 Seiten werden. Eines steht für Clemens Binninger fest: „Es wurde mit hohem Aufwand in die falsche Richtung ermittelt.“

Viele Fragen sind unbeantwortet

Dabei habe es schon früh Hinweise darauf gegeben, dass die Tat von der Theresienwiese mit der ungeklärten Mordserie an türkischen und griechischen Geschäftsleuten zusammenhing. Ausgerechnet Kiesewetters Patenonkel, ein Polizist beim Staatsschutz in Thüringen, äußerte schon wenige Wochen nach der Tat diese Vermutung. Doch worauf seine Feststellung fußte, ließ sich später nicht mehr klären – wie so vieles in diesem Fall.

Vor zehn Jahren war Maier mit dem Auto auf dem Heimweg von der Arbeit – und blieb bei der Theresienwiese stecken. Über Schleichwege kam er schließlich zu Hause an. Unterwegs wurde er dabei fotografiert. Einige Tage später bekam Maier Besuch von der Kriminalpolizei: Die Beamten wollten wissen, was er an dem Festplatz gemacht habe. „Denen habe ich gesagt, das bringt euch keinen Meter weiter“, erzählt der 68-Jährige.

Damals war Maier aber eine von knapp 3700 Spuren, die die Soko „Parkplatz“ untersucht hat – und von denen die meisten die bis zu 50 Beamten tatsächlich keinen Meter weitergebracht haben. Eine Spur aber war vielversprechend, die DNA einer unbekannten weiblichen Person. Diese – im Polizeijargon – UWP schien an vielen Orten ihr Unwesen zu treiben, an mehr als 40 Tatorten in Deutschland, Österreich und Frankreich hatte sie ihre genetischen Fingerabdrücke hinterlassen. Doch die Polizei jagte ein Phantom. Die DNA stammte von einer Mitarbeiterin der Firma, die die Wattestäbchen für die Beweissicherung produziert hatte.

War Kiesewetter wirklich nur ein Zufallsopfer?

Über die Ermittler brach eine Welle der Kritik herein, in den Medienberichten war von „Pannen“ die Rede und von „schlampiger Recherche“ – Vorwürfe, die die Polizisten tief getroffen haben. Manche Ermittler von damals sind heute im Ruhestand, manche macht die Erinnerung an damals wütend, anderen kommen die Tränen, wenn sie darüber sprechen. „Einige Kollegen“, sagt die Polizeisprecherin Yvonne Schmierer, „hat dieser Fall krank gemacht.“

Immer wieder hatte man unbenutzte Wattestäbchen als Leerprobe ans Labor geschickt, eben um sicherzugehen, dass nicht das Material selbst verunreinigt ist. „Wie der Teufel so will, war an denen aber keine DNA“, erzählt Yvonne Schmierer.

Die tote Kollegin ist unvergessen. Jedes Jahr am 25. April gedenkt die Heilbronner Polizei an der Theresienwiese Michèle Kiesewetter. „Die Frage nach dem Warum beschäftigt uns bis heute“, sagt Hans Becker, der stellvertretende Polizeipräsident.

Clemens Binninger Foto: dpa

Die offenen Fragen kennt kaum einer so gut wie Clemens Binninger. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Böblingen sitzt im Café des Stuttgarter Schlossgartenhotels und bestellt eine Nusstorte. Bevor er im Herbst nach vier Legislaturperioden abtritt, macht ihn der Jahrestag noch einmal zu einem gefragten Mann. Im ersten Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden fungierte er als Obmann seiner Fraktion. Im zweiten U-Ausschuss rückte er zum Vorsitzenden auf. Jetzt ist der ehemalige Polizeikommissar dabei, den Abschlussbericht zusammenzustellen. Es dürfte ein Werk mit 1000 Seiten werden. Eines steht für Clemens Binninger fest: „Es wurde mit hohem Aufwand in die falsche Richtung ermittelt.“

Viele Fragen sind unbeantwortet

Dabei habe es schon früh Hinweise darauf gegeben, dass die Tat von der Theresienwiese mit der ungeklärten Mordserie an türkischen und griechischen Geschäftsleuten zusammenhing. Ausgerechnet Kiesewetters Patenonkel, ein Polizist beim Staatsschutz in Thüringen, äußerte schon wenige Wochen nach der Tat diese Vermutung. Doch worauf seine Feststellung fußte, ließ sich später nicht mehr klären – wie so vieles in diesem Fall.

Es sind Fragen und Zweifel, die Binninger beschäftigten: War Kiesewetter wirklich nur ein Zufallsopfer, wovon die Ermittler des Bundeskriminalamtes bis heute überzeugt sind? Warum musste sie, die so gar nicht ins Opfermuster des NSU passte, sterben? Warum wurde sie als Einzige der Mordserie mit einer anderen Waffe erschossen? Wer waren die unbekannten Männer, die nach übereinstimmenden Zeugenaussagen kurz nach der Tat blutverschmiert in einem blauen Audi mit Mosbacher Kennzeichen flüchteten, während das Wohnmobil von Böhnhardt und Mundlos zur gleichen Zeit eine polizeiliche Zählstelle in Oberstenfeld im Kreis Ludwigsburg passierte? Und von wem stammt die DNA, die an den Oberkörpern von Kiesewetter und ihrem angeschossenen Kollegen gefunden wurde, und die bisher niemandem – auch nicht den beiden NSU-Tätern – zugeordnet werden konnte?

Für Binninger ist der Fall zu einer Zäsur geworden. „Er zeigt, wo es bei der Zusammenarbeit unserer Ermittlungsbehörden hakt und wie der gewaltbereite Rechtsextremismus falsch wahrgenommen worden ist.“ Die Probleme seien keineswegs behoben, sagt der Politiker. Bei der Bekämpfung des radikalen Islamismus erlebe er gerade ein Déjà-vu. Bezüglich des Falles Kiesewetter klingt sein Fazit desillusioniert. „Man muss akzeptieren, dass manche Fragen nicht zu klären sind.“