Zwischen 500 und 600 Haushalte in Waiblingen kaufen im Laden des Vereins Waiblinger Tafel ein. In dem Geschäft, das es seit zehn Jahren gibt, sorgen rund 70 Ehrenamtliche unter dem Motto „Die ganze Stadt wird satt“ dafür, dass alles rund läuft.

Waiblingen - Appetitlich sehen sie aus, die Croissants, die akkurat aufgereiht in der Bäckertheke liegen. Gleich nebenan warten noch mehr Kalorienbomben, zum Beispiel Nußhörnchen. Im Regal an der Wand türmen sich Weißbrote und Vollkornbrotlaibe, allesamt Spenden von Bäckereien. Ein Brötchen kostet sieben Cent – willkommen im Tafelladen Waiblingen. Sein Motto: „Die ganze Stadt wird satt.“

 

„Bei uns gehen nur Lebensmittel raus, die wir selbst essen würden“, sagt Petra Off. Seit zehn Jahren und damit von Beginn an leitet die 50-Jährige den Waiblinger Tafelladen, der nach einem etwa einjährigen Gastspiel in der Schmidener Straße sein derzeitiges Domizil in der Fronackerstraße bezogen hat. Auf 250 Quadratmetern können Menschen mit geringem Einkommen und einem Tafelausweis dort günstig einkaufen: Backwaren, Obst, Gemüse, Wurst und Käse, Schokolade und Kekse.

Die Waren in den Regalen sehen picobello aus – kein Wunder, schließlich sind an diesem Vormittag im Lager neben dem Verkaufsraum drei bis vier ehrenamtliche Mitarbeiterinnen vollauf beschäftigt, die angelieferten Lebensmittelspenden zu sichten und zu sortieren. Ungefähr im Stundentakt fährt der Transporter des Vereins Waiblinger Tafel vor, um die Ausbeute der letzten Tour zu Supermärkten, Bäckereien oder Hofläden auszuladen. Dann heißt es Kisten schleppen und weiter sortieren, denn ein Teil der Kundschaft steht schon vor dem Laden Schlange. Jeder hat einen Zettel mit einer Nummer in der Hand, die seinen Platz in der Wartereihe angibt.

Mehr als acht Kunden gleichzeitig können im Tafelladen, der einem Tante-Emma-Laden gleicht, nicht einkaufen – der Platz ist begrenzt und ohnehin gibt es nur acht Einkaufswagen. Dass sie in der Öffentlichkeit vor der Tür warten müssen, sei manchen Kunden unangenehm, sagt die Tafel-Mitarbeiterin Erika Severin, aber anders gehe es nun mal nicht. Auch so mancher Nachbar fühlt sich vom Anblick der Wartenden gestört. Mit Vorurteilen habe die Waiblinger Tafel trotz ihres „tollen Image“ immer wieder zu kämpfen, bestätigt Elke Schütze, die im Vereinsvorstand tätig ist. Geschichten von Bedürftigen, die in der dicken Limousine vorfahren oder kistenweise Waren hinausschleppen, sind selbst nach zehn Jahren noch im Umlauf. „Dabei wird beim Einkauf auf die Haushaltsgröße geachtet, die auf jedem Tafelausweis steht“, versichert die 63-Jährige.

Weil manche Lebensmittel, wie etwa Wurst, Käse oder Schokolade, Mangelware sind, dürfen die Kunden häufig nur eine Packung mitnehmen. „Das ist zwar gewöhnungsbedürftig“, gibt Petra Off zu, „aber die Leute akzeptieren das.“ Schließlich sollen auch diejenigen, die es erst kurz vor dem Geschäftsschluss um 12.30 Uhr in den Laden schaffen, eine Chance haben. Jeder Tag ist im Tafelladen eine Überraschung – für die Mitarbeiter wie die Kunden.

Einen Einkaufszettel mitzubringen, mache da keinen Sinn, sagt Petra Off: „Man muss im Laden entscheiden, was man kocht, denn das Warenangebot schwankt sehr stark.“ Zur Kundschaft gehören junge Familien, Erwerbslose, Berufsunfähige und immer mehr Frauen und Männer mit einer niedrigen Rente. „Eigentlich sind zehn Jahre Tafelladen kein Grund zum Feiern“, findet Elke Schütze. Ihr Wunsch zum runden Geburtstag: „Dass wir überflüssig werden.“ Da besteht bei Erika Severins Wunsch schon eher Hoffnung auf Erfüllung: Sie wünscht sich mehr Verkaufsfläche in einer etwas zentraleren Lage. Doch die Vermieter stehen, anders als die Kunden, nicht Schlange und bei der Miete sind dem Verein Grenzen gesetzt: Allein die Entsorgungkosten für den Biomüll schlagen mit 300 Euro monatlich zu Buche.

Wer den Tafelverein unterstützen möchte, kann das am Samstag in geselliger Runde und bei Musik der Band „Fireball“ tun – und sich nebenbei bekochen lassen. Zwischen 10.30 und 13 Uhr servieren die Ehrenamtlichen bei einer „Langen Tafel“ auf dem Postplatz Kürbis- und Kartoffelsuppe, Kaffee und Hefezopf. Wer mag, darf eine Spende ins Kässle werfen. Und vielleicht wird ja Wunsch Nummer drei wahr – weitere Ehrenamtliche ins Boot zu holen.

Jeder gibt, was er kann

Idee
Tafeln sind gemeinnützige Organisationen, die einwandfreie Lebensmittel, welche aus diversen Gründen im Müll landen würden, sammeln und an bedürftige Menschen weitergeben. Die Spenden werden meist über Tafelläden verteilt. Manche Tafeln bieten warme Mahlzeiten an. Die erste deutsche Tafel wurde 1993 in Berlin gegründet.