Den Kommunen wird es nicht gelingen, das Recht auf einen Betreuungsplatz für alle Kleinkinder bis August 2013 einzulösen. Die Familienministerin Schröder bleibt aber zuversichtlich – und hält an dem Rechtsanspruch für Eltern fest.

Berlin - Den Kommunen läuft beim Ausbau der Kitaangebote die Zeit davon. Von 1. August 2013 an haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder, die jünger als drei Jahre alt sind. 2007 hatten Bund, Länder und Gemeinden vereinbart, bis zu diesem Stichtag 750 000 Betreuungsplätze in einer Kita oder bei einer Tagesmutter anzubieten. Damit stünde für 35 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe ein Betreuungsplatz zur Verfügung. Zurzeit werden nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums bundesweit rund 620 000 Betreuungsplätze angeboten. Da der 2007 prognostizierte Bedarf nach oben korrigiert werden musste, rechnet das Ministerium nun mit 160 000 fehlenden Plätzen. Außerdem müssten laut Ministerium 14 000 zusätzliche Erzieher und mindestens 16 000 Tagesmütter oder -väter für eine ausreichende Betreuung gewonnen und ausgebildet werden.

 

Die Kommunen gehen von einer noch größeren Lücke aus, hier ist von 200 000 fehlenden Plätzen die Rede. Die Städte und Gemeinden fürchten eine Klagewelle, sollte sich die Lücke bis August 2013 nicht schließen lassen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will deshalb mit einem Zehnpunkteplan Abhilfe schaffen, der am gestrigen Mittwoch von der Ministerrunde der Bundesregierung verabschiedet worden ist. Schröder ist, anders als die Spitzenvertreter der Kommunen, zuversichtlich, dass die Betreuungsplätze rechtzeitig vor Inkrafttreten des Rechtsanspruches angeboten werden können. Am Rechtsanspruch will sie nicht rütteln.

Weitere Hilfen aus Berlin

Obwohl der Bund seine Zusagen bereits erfüllt habe, sei die Bundesregierung bereit, weitere Hilfe zu leisten. Der Bund hatte 2007 zugesichert, zur Finanzierung des 12-Milliarden-Euro-Projekts ein Drittel, also vier Milliarden Euro, zuzuschießen. Bis Ende 2013 stellt der Bund allein für Investitionen 2,15 Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere 1,85 Milliarden fließen zur Deckung der Betriebskosten, ab 2014 sollen jährlich 770 Millionen Euro vom Bund für die laufenden Kosten bereitgestellt werden.

Darüber hinaus will der Bund jetzt den Kommunen mit zinsgünstigen Krediten der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in einem Umfang von 350 Millionen Euro unter die Arme greifen. Der Bund bürgt für die Schulden und trägt einen Teil der Zinslast. Dies lässt er sich laut Schröder weitere 35 Millionen Euro kosten. Außerdem will der Bund die Tagespflege attraktiver machen, da zu viele Tagesmütter und -väter wegen der schlechten Bezahlung den Beruf bei der erstbesten Gelegenheit wechseln. Um diesen Aderlass zu stoppen, soll ein Lohnkostenzuschuss gezahlt werden, wenn beispielsweise ein kleineres Unternehmen eine Tagespflegekraft fest anstellt. Zehn Millionen Euro ist diese Förderung dem Bund in einem ersten Schritt bis Ende 2014 wert. Schröder forderte in diesem Zusammenhang die Unternehmen auf, nicht immer nur weitere Betreuungsplätze vom Staat zu fordern, sondern auch selbst in den Betrieben Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen.

Arbeitsgruppe soll Qualitätsstandards festlegen

Der Plan der Ministerin sieht auch vor, die Qualität der Ausbildung der Betreuerinnen und Betreuer zu stärken. Es soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen werden, die bis 2020 „wissenschaftlich fundierte qualitative Mindeststandards bundesweit“ erarbeitet. Schröder will es außerdem Quereinsteigern leichter machen, in die Betreuungsbranche zu wechseln, wobei sie klarstellt, dass „in keiner Weise geplant“ sei, ungelernte Kräfte einzusetzen. Aber Grundschullehrerinnen, die sich einen Berufswechsel vorstellen können, sollte der Weg sehr wohl geebnet werden.

In dem Plan findet sich auch eine deutliche Warnung an jene Länder, die bei ihren Planungen neuer Betreuungsplätze bisher säumig waren. Nicht abgerufene Bundesmittel sollen Anfang 2013 umverteilt werden. Soll heißen: jenen Bundesländern, die bis zu einem noch nicht festgelegten Stichtag die ihnen eigentlich zustehenden Mittel nur zum Teil abgerufen haben, wird der Förderhahn zugedreht. Profitieren sollen von den deshalb im Bundestopf verbliebenen Millionen jene Länder, die ihre Mittel bis dahin abgerufen haben und darüber hinausgehenden Bedarf geltend machen können. Auch Baden-Württemberg muss sich sputen, Fördergeld nicht verfallen zu lassen. Laut Schröder sind bis jetzt erst 73 Prozent des maximalen Volumens bewilligt. Der bundesweite Schnitt der bisher abgerufenen Mittel liegt bei 86 Prozent der Höchstsumme.

Kommunen fordern einen Notfallplan

Die Kommunen begrüßen all diese Schritte, fordern aber gleichwohl einen Notfallplan, sollte dennoch eine Lücke in der Versorgung bestehen bleiben. Sie fürchten Schadenersatzforderungen in noch nicht absehbarer Höhe. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, plädiert deshalb beispielsweise dafür, auch Plätze in Nachbargemeinden anbieten zu können. In Westdeutschland, vor allem in größeren Städten, seien die Probleme groß. In manchen Gegenden sei es zwar ausreichend, für 20 Prozent der unter Dreijährigen ein Angebot vorzuhalten, in städtischen Regionen steige der Bedarf aber auf bis zu 60 Prozent. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, be fürchtet deshalb, dass auch die Maßnahmen der Ministerin „nicht garantieren können, dass keine Lücke bleibt“. Wegen des Verzugs schlagen die beiden vor, mit der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes zu warten, bis der Ausbau der Betreuungsangebote geschafft ist. Der Bund lässt sich das Betreuungsgeld 2013 rund 400 Millionen und ab 2014 jährlich 1,2 Milliarden Euro kosten.