Beim BDZV-Kongress „Zeitung Digital“ in Stuttgart diskutieren Verleger und Journalisten über die Zukunft ihrer Branche. Dass sich Form und Inhalt verändern werden, gilt dabei als sicher. Die Frage ist nur: Wie wird das Ganze finanziert?

Stuttgart - Es gibt Redewendungen, die sind akut vom Aussterben bedroht. Man kann das ganz gut an 13-Jährigen testen, die man bittet, ein Video „vorzuspulen“. Gut möglich, dass sich dann ein großes Fragezeichen im Gesicht der Jugendlichen bildet. Denn seit diese Generation Filme sieht, werden Bewegtbilder ja normalerweise nicht mehr auf Bändern, die man spulen kann, sondern auf silbernen Scheiben, Festplatten oder USB-Sticks gebannt. Andere Begriffe sind hartnäckiger. Etwa die Diskette. Auch wenn wir vielleicht seit Jahren keines dieser Plastikdinger mehr in der Hand gehalten haben, ist sie dennoch das Symbol schlechthin, wenn es um Datensicherung geht. Offenbar eine starke Metapher. Und mit der Zeitung ist es ganz ähnlich. Üblicherweise ist eine Zeitung aus Papier. Aber inzwischen ist sie mehr als das: Die Zeitung gibt es gedruckt, im Web und als App.

 

Als Marke erlebt die Zeitung im Internet derzeit so etwas wie einen Höhenflug. Viele Verlage und Redaktionen rücken ihre Printprodukte und digitalen Angebote nicht nur organisatorisch enger zusammen. So ist am vergangenen Donnerstag die Marke „NZZ Online“ nach 15 Jahren verschwunden, jetzt heißt das Angebot im Netz so wie das Papiermedium seit der Erstausgabe vom 12. Januar 1780: Neue Zürcher Zeitung. Auch die WAZ-Gruppe in Nordrhein-Westfalen hat ihre Zeitungstitel (unter anderem "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung", "Westfalenpost") vor wenigen Tagen im Netz wiederbelebt. Das hat nicht nur historische Gründe, es hat auch viel mit der Zukunft zu tun. Denn in Sachen Glaubwürdigkeit, das betont der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) immer wieder, ist die Zeitung die klare Nummer Eins, schlägt das Radio deutlich und lässt auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen weit hinter sich. Das ist ein Kapital. Und damit wollen Zeitungen auch im digitalen Zeitalter auf möglichst vielen verschiedenen Plattformen punkten.

Wie verdient man Geld im Netz?

Eine der Fragen, die von Dienstag an beim BDZV-Kongress „Zeitung Digital“ in Stuttgart diskutiert werden, lautet allerdings: Wie lässt sich im Digitalgeschäft Geld verdienen? Dabei kommt eine Metapher ins Spiel, die seit Jahren immer wieder durch die Branche geistert: Bezahlschranke. Damit ist gemeint, dass Nutzer für das Nachrichtenangebot im Internet bezahlen sollen. Neben starren Modellen gibt es inzwischen eine Reihe gestaffelter Bezahlsysteme, doch das Prinzip ist immer das gleiche: Die von Kritikern gebetsmühlenartig wiederholte „Kostenlosmentalität“ im Internet soll ein Ende haben, journalistische Inhalte, sagen die Schranken-Befürworter, hätten eben ihren Preis.

Die New York Times, eine der größten Zeitungen der Welt, hat ein Bezahlmodell eingeführt, auch die NZZ will demnächst Geld verlangen. Und in Deutschland probieren immer mehr regionale und überregionale Zeitungen Bezahlschranken aus. Dabei treibt fast immer eine große Sorge die Macher um: der Verlust von Reichweite. Jede Nachrichtenseite ist darum bemüht, möglichst viel Publikum anzulocken. Das steigert ihre publizistische Bedeutung und erhöht die Online-Werbeeinnahmen. Doch was passiert, wenn Inhalte hinter einer Bezahlschranke verschwinden? Zunächst würden Leser wohl einfach woanders hingehen, die kostenlose Nachricht ist oft nur einen Mausklick entfernt. Jan-Eric Peters, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe hat dem „Medium“-Magazin gesagt: „Ich kenne kein überregionales Nachrichtenangebot in Deutschland, das so exklusiv und eigenständig ist, dass es keine kostenlose Alternative dazu gäbe.“ Demnach scheinen exklusive Inhalte zunächst am besten dafür geeignet zu sein, sie gegen Geld anzubieten. Für die meisten Regionalzeitungen wären das wohl lokale Nachrichten oder exklusiv recherchierte Geschichten. Auch sehr spezielle, nutzwertige Inhalte lassen sich offenbar ganz gut übers Internet verkaufen, etwa Testberichte von der Stiftung Warentest.

Die Frage ist für Zeitungshäuser: Zahlen Abonnenten nur für die Inhalte oder eher für die Dienstleistung, eine Zeitung zusammenzustellen, sie zu drucken und in den Briefkasten zu legen? Auch deshalb erhoffen sich Verleger viel von Apps, etwa für das iPad von Apple. Einer vom BDZV in Auftrag gegebenen Studie zufolge nutzt mehr als die Hälfte der iPad-Besitzer fast täglich eine Zeitungs-App. Bislang sind diese Apps oft erstaunlich nah an der Zeitung, wie wir sie aus der Papierwelt kennen. Gut möglich also, dass „blättern“ uns als Metapher noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird.

Neue Bezahlmodelle

Freemium: Viele Angebote im Internet setzen auf sogenannte Freemium-Modelle. Das heißt: ein Basisangebot ist kostenlos, für Extras muss man zahlen. Nach diesem Prinzip funktioniert etwa der Bilderdienst Flickr, bei dem zahlende Kunden mehr Speicherplatz bekommen, der Musikdienst Spotify, den man mobil nur nutzen kann, wenn man zahlt oder eine Reihe von Apps für Smartphones. Auch Zeitungsverlage denken über Freemium-Modelle nach.

Metered Paywall: Bezahlschranken werden von Zeitungsverlagen unterschiedlich eingesetzt. Eine „metered paywall“ erlaubt Nutzern zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Texten kostenlos zu lesen und erst danach muss man für weitere Texte zahlen.

Digitale Angebote: Verlage erweitern ihr Geschäft mit Inhalten in die digitale Welt und bündeln sie neu. Erfolgreich sind dabei etwa serviceorientierte Programme für mobile Geräte (Apps) wie Tourenplaner oder Restaurantführer