Bisher seien zu den Verzögerungen beim Bau von Stuttgart 21 nur Bruchstücke öffentlich geworden, nun verlangen die Gegner des Milliardenprojekts der Bahn umfassende Aufklärung über den Zeitplan und die Kosten.

Stuttgart - Nach Bekanntwerden von neuen Problemen beim Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 fordern die Gegner des Bauvorhabens die Deutsche Bahn auf, alle Karten auf den Tisch zu legen. Die neuerlichen Verzögerungen und die Steigerung der Baukosten zeigten, dass die Bahn allen Versprechen zum Trotz das Projekt nicht im Griff habe, sagte Matthias Lieb, der Landeschef des Verkehrsclubs Deutschland, am Montag. Das Aktionsbündnis gegen das Projekt forderte, „die ganze Wahrheit öffentlich zu machen und die bisher nur bruchstückweise bekannt gewordenen Kostenrechnungen der Deutschen Bahn umgehend überprüfbar zu machen“.

 

Die Landeschefin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (Bund) in Baden-Württemberg, Brigitte Dahlbender, sagte, bei dem Umbau des bisherigen Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation handele es sich um ein schlecht und nicht fertiggeplantes Projekt. Es werde auch wesentlich teurer. Nun müsse sauber zu Ende geplant werden, um das Milliardenvorhaben „sauber zu Ende“ zu bringen.

Stuttgart 21 könnte einem internen Bericht des Staatskonzerns zufolge zwei Jahre später fertig werden als geplant - und eventuell auch mehr kosten. Die geplante Inbetriebnahme Ende 2021 wackelt, zudem ist der finanzielle Puffer fast aufgebraucht. Das Risiko, dass das Projekt bis zu zwei Jahre später fertig werde, sei größer geworden, hieß es aus dem Umfeld des Aufsichtsrats.

Bericht schlägt veränderte Tunnelbauweise vor

Über das Papier soll am 15. Juni im Bahn-Aufsichtsrat beraten werden. In dem öffentlich gewordenen Bericht sind die Ergebnisse der jüngsten Überprüfung des Zeit- und Kostenplans für Stuttgart 21 enthalten. Demnach muss der Finanzierungsrahmen von 6,526 Milliarden Euro für den neuen Tiefbahnhof in Stuttgart und mehrere Tunnel nicht erhöht werden. Allerdings liegt die Kostenprognose der Bahn inzwischen nur noch knapp darunter - bei 6,511 Milliarden Euro, sofern das Management nicht gegensteuert. Baden-Württemberg und der Bund lehnen eine Übernahme möglicher Mehrkosten für Bahnprojekt ab.

So schlägt dem internen Bericht zufolge beispielsweise eine veränderte Tunnelbauweise, um Schäden durch das aufquellende Mineral Anhydrit zu verhindern, mit 144 Millionen Euro zu Buche. Im Gipskeuper kann Anhydrit (griechisch: ohne Wasser) eingeschlossen sein. Dieses verwandelt sich in Verbindung mit Wasser zu Gips und dehnt sich dabei um bis zu 60 Prozent aus. Um diese Probleme zu verhindern setzt die Deutsche Bahn in Stuttgart ein besonderes Bauverfahren ein. So werden beispielsweise in den betroffene Gebieten spezielle Chemikalien in die entsprechende Gesteinschicht eingespritzt, die einen Wassereintritt verhindern, wie der Tunnelbauexperte Walter Wittke mitteilte. Erst dann wird das entsprechende Gestein ausgebaggert und der Tunnel weiter gebaut.