Albrecht Böhl hat die DDR am eigenen Leib erlebt und ist geflüchtet. Schülern des Stuttgarter Mörike-Gymnasiums hat er seine Geschichte erzählt.
Stuttgart - Gründung der DDR 1949, Mauerbau 1961, Mauerfall 1989, Wiedervereinigung 1990 – Jahreszahlen und historische Ereignisse wie diese sind schnell auswendig gelernt und in einer Klausur zu Papier gebracht. Doch die Schicksale, die sich hinter diesen Daten verbergen, bleiben oft unerzählt. Abiturienten des Mörike-Gymnasiums hatten in der letzten Geschichtsstunde ihrer Schulzeit die Chance, eines dieser Leben näher kennen zu lernen: Albrecht Böhl berichtete von seiner Flucht aus der DDR, konspirativen Treffen, Spitzeln und seiner Stasi-Akte.
„Ich bin 1944 in der Nähe von Magdeburg geboren und habe bis 1966 an der TU Dresden studiert. Kurz danach habe ich von Ost nach West gewechselt“, sagt der Zeitzeuge zu Beginn und überlässt dann den Schülern die Initiative. Die sind gut vorbereitet und stellen eine Stunde lang Fragen. Stück für Stück setzt sich im Gespräch eine Lebensgeschichte zusammen, die ganz und gar nicht so nüchtern ist, wie Albrecht Böhls Eingangsworte es vermuten ließen.
Tiefe Verachtung für das Regime
Dem DDR-System stand Albrecht Böhl schon als Jugendlicher kritisch gegenüber: „Ich hatte wenig mit diesem Unrechtsstaat am Hut und eine tiefe Verachtung für dieses Regime. Alles war von oben herab gesteuert.“ In den Jahren vor dem Mauerbau fuhr er regelmäßig mit dem Zug von Magdeburg aus nach Ost-Berlin und dann mit der S-Bahn in den Westsektor, um seinen Onkel zu besuchen. Dort sah er die Unterschiede, auf die DDR-Propaganda fiel er nicht mehr herein. „Ich dachte, du sitzt auf der falschen Seite.“
Wegen dieser Fahrten in den Westen allerdings wurde ihm, trotz guter Noten, nicht erlaubt, das Gymnasium zu besuchen, vermutet Albrecht Böhl. „Ich hatte mir geschworen, das zahle ich denen heim.“ Und so besuchte er neben seiner Lehre die Abendschule, holte dort das Abitur nach und konnte dann nach einer weiteren Prüfung doch noch in Dresden das Fach Elektrotechnik studieren.