Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
So fing Ihr Jetset-Leben an?
Ja. Zurück in der Heimat, habe ich gleich Freunde aus Rom nach Stuttgart eingeladen, und die luden mich dann wieder ein. So kam ich erstmals nach London. Und ich machte dann auch meinen ersten Flug, von Stuttgart nach Barcelona. Das war eine so unglaubliche Erfahrung, dass ich meiner Mutter in einem Brief ausführlich darüber berichtet habe.
Diese Internationalität ist ein wichtiger Teil Ihrer Persönlichkeit. Dennoch ist Stuttgart für Sie ganz wichtig – warum?
Es ist seltsam: Wenn ich sagen sollte, welche Orte mir in Stuttgart besonders lieb sind oder in welches Lokal ich besonders gerne gehe, kann ich das eigentlich nicht präzise bestimmen.
Was bindet Sie dann an diese Stadt?
Es sind die Menschen, und das hat in den 1950er Jahren begonnen. Ich finde die Menschen in Stuttgart bis zum heutigen Tag wunderbar. Es ist das Gefühl des Miteinanders, das macht die Menschen hier aus. Wenn Sie mich jetzt fragen, was der zentrale Begriff für die mittleren und späteren 50er Jahre wäre, dann würde ich sagen: dieses Miteinander.
Was ist das Besondere daran?
Gerade in den Aufbaujahren brauchte man andere, die bereit waren zu helfen. Man konnte kaum etwas alleine machen; ich schon gar nicht. Ich brauche immer einen Chor, ein Orchester oder einen Kirchengemeinderat, der die Mittel bewilligte. Immer habe ich solche Menschen getroffen. Dieses Miteinander ist das Entscheidende. Daneben hat Stuttgart zweifellos einen großen Sinn für Kultur mit seinen vielen Museen und Galerien, und Stuttgart ist die Hauptstadt der Chöre. Ich war in der ganzen Welt und hatte sehr viele Angebote. Ich habe nie eines auf Dauer angenommen.
Wie äußerte sich dieses Miteinander, von dem Sie sprachen, konkret?
Ich erzähle vielleicht stellvertretend eine Geschichte, die allerdings nach meiner Erinnerung erst in den 1960er Jahre spielt. Ich bekam damals von einem Herrn Bernhard Müller einen Brief. Er schrieb, er sei in der letzten Abendmusik in der Gedächtniskirche gewesen. Der Chor habe ihm gefallen, aber das Orchester sei nicht so gut gewesen. Ich antwortete: der Chor seien alles Freunde, die umsonst sängen, aber das Orchester müsse ich bezahlen und dafür gäbe es keine Mittel. Wieder kam ein Brief: Schreiben Sie mir, welches Stück Sie sehr gut machen wollen, und was das kostet. Ich schrieb: Ich möchte zum ersten Mal die Johannespassion aufführen, und das kostet 15.000 Mark. Das war viel Geld damals. Darauf kam ein Brief, darin war ein Scheck über 15.000 Mark. Soviel zum Thema „Miteinander“. Herr Müller hat gesehen, da ist ein junger Kerl, der macht seine Sache gut, den muss man fördern. Ob’s was wird, sieht man dann. Es gab einen Vertrauensvorschuss, und das ist das Schöne an vielen Menschen hier.
Was bedeutet Stuttgart dann für Sie?
Für mich ist Stuttgart im schönsten Sinne des Wortes Heimat.