Johann Georg Frasch ist als berühmt-berüchtigter Sohn Heiningens in die Annalen eingegangen. Dieter Kunzmann aus Zell hat den historischen Stoff nun für das Theater Action Pudding bearbeitet.

Zell u. A./Heiningen - Ein leuchtendes Vorbild gibt er sicher nicht ab, aber ein gewisses Charisma muss Johann Georg Frasch (1817–1877) gehabt haben, denn als Hochstapler, Betrüger und Geisterjäger brachte er es im 19. Jahrhundert zu zweifelhafter Berühmtheit. Im nächsten Jahr soll nun ein Theaterstück über den „Wunderdoktor von Heiningen“ im Hof der Michaelskirche aufgeführt werden. Der Autor und Regisseur des Stücks ist Dieter Kunzmann. Der erfahrene Theatermann und seine Frau Anne Kunzmann sind seit mehr als 25 Jahren die treibende Kraft des jungen Theaters unterm Aichelberg Action Pudding. Bei der Aufführung des „Wunderdoktors von Heiningen“ werden Erwachsene auf der Bühne stehen – eine Premiere. Alle Aufführungen zuvor waren Theaterprojekte mit Kindern und Jugendlichen.

 

Das Theaterprojekt ist eine Herzenssache des Heininger Bürgermeisters Norbert Aufrecht. Elektrisiert von dem historischen Stoff forschte er nach einem Autor, der die Vita dieses „Wahnsinnstypen“ auf die Bühne bringen könnte – und fand ihn schließlich in der „angeheirateten Familie“, wie er erzählt. Er musste Kunzmann nicht lange überreden. Dieser stürzte sich, angetan von der kruden Geschichte, quasi sofort in die Arbeit, recherchierte in alten Gerichtsakten und zeitgenössischen Berichten, um mehr über den „Heilkünstler“ zu erfahren. Dann schrieb er. Auf Schwäbisch, was ihm zunächst Bauchweh bereitete, weil er sein Stück nicht als Schwank verstanden wissen will. Damit das Schwäbisch korrekt ist, ließ der gebürtige Ulmer den Mundartdichter Bernd Merkle den Text überarbeiten.

Die Menschen waren empfänglich für Scharlatane

Kunzmann will dem historischen Stoff gerecht werden. Nicht mehr und nicht weniger. So sollen die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit in seinem Stück aufleben. „Die Bevölkerung damals war fürchterlich arm. Da die Leute in der dunklen Jahreszeit nichts zu heizen oder zum Licht machen hatten, erwärmten sie sich die Seele mit Geschichten“, erzählt er. Entsprechend habe der Aberglaube Blüten getrieben und die Menschen empfänglich für Scharlatane wie Frasch gemacht. „Das war die Stunde der Wunderheiler“, sagt Kunzmann, der Frasch aber Kenntnisse in der Heilkunde nicht generell abspricht. „Er war der Sohn eines Schäfers und hat gelernt, wie man Schafe mit Heilkräutern und Tinkturen helfen kann. Manches hat offensichtlich auch den Menschen geholfen.“

Das größte Geschick aber hatte Frasch zweifelsohne im Betrügen. In kurzer Zeit ergaunerte er sich ein beträchtliches Vermögen. Mit welchen unlauteren Methoden er arbeitete, das ist in den Gerichtsakten verbürgt. So ist belegt, dass er einer Witwe seine Dienste als Geisterjäger angetragen hat. Der guten Frau hatte er zuerst eingeredet, dass ihr Mann verbotene Dinge getan habe und deshalb 70 Jahre als Geist umgehen müsse. Damit sie ihm auch wirklich Glauben schenkte, polterte und rumorte er des Nächtens in ihrem Haus, um dann die Geisterjagd gekonnt zu inszenieren. Als Lohn für seine Bemühungen überließ ihm die Bäuerin zwei Grundstücke.

Kunzmann: Frasch und Blumhardt haben vom Aberglauben profitiert

Ein noch größerer Coup des berühmt-berüchtigten Sohns Heiningens trieb die Hüttisheimer Bank, damals die mächtigste Leihkasse, in den Ruin. Von ihr hatte sich Frasch für den Kauf eines ehemaligen Hofguts Geld geliehen, ohne es jemals zurückzuzahlen. Doch letztlich kam auch er nicht ungeschoren davon. Er wurde wegen „schweren gewerbsmäßigen Betrugs“ zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.

In den Mittelpunkt seines Stücks stellt Kunzmann eine fiktive Begegnung des Schäfers von Heiningen mit Johann Christoph Blumhardt (1805–1880) im Zuchthaus von Gmünd. Auch der hoch angesehene Pfarrer und Gründer des Seelsorgezentrums im ehemaligen königlichen Kurhaus in Bad Boll galt als Wunderdoktor. Obwohl die Motive grundverschieden gewesen seien, hätten beide Männer vom tief verwurzelten Aberglauben der Bevölkerung profitiert, glaubt Kunzmann. Nach seiner Entlassung aus der Haft arbeitete Frasch im nahen Jebenhausen weiter als Wunderdoktor. Im Jahr 1877 erlag er einer Wassersucht, wie Kunzmann recherchiert hat.

Das Ensemble befindet sich noch in der Findungsphase

Das junge Theater unterm Aichelberg Action Pudding hat 2016 sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. In diesem Vierteljahrhundert haben 600 Mädchen und Jungen bei der Theaterpädagogin Anne Kunzmann und ihrem Mann Dieter Kunzmann das Theaterspielen gelernt. Hervorgegangen ist Action Pudding aus einer Theater AG der damaligen Grund- und Hauptschule Zell. Seit 2001 unterstützt ein Verein für Theaterarbeit das Ensemble. Mit dem Stück „Der Wunderdoktor von Heiningen“ stemmt Action Pudding zum ersten Mal ein Theaterprojekt mit Erwachsenen. Regie führt der Autor des Stücks, Dieter Kunzmann.

Noch steht die Gruppe nicht. Aber ehemalige Akteure des Theatervereins Action Pudding, Eltern von Theaterkindern und Interessierte haben sich bereits ein erstes Mal getroffen. Dieter Kunzmann hofft, dass beim nächsten Treffen am 28. April schon die ersten Rollen vergeben werden können. Insgesamt kommen im Stück 31 Personen vor. Da es viele kleinere Rollen gibt, können einzelne Darsteller mehrere Charaktere verkörpern. Kunzmann geht davon aus, dass 15 Akteure ausreichen.

Das Stück soll auf Anregung des Bürgermeisters Norbert Aufrecht im Sommer 2019 im Hof der evangelischen Michaelskirche in Heiningen aufgeführt werden.