Für den Zensus 2022 beginnt das Statistische Landesamt im September mit der Vorbefragung. In Rutesheim weckt das schlechte Erinnerungen.

Landkreis Böblingen - Eigentümer oder Verwaltungen von Gebäuden und Wohnungszählung sollen sich nicht wundern, wenn das Statistische Landesamt Baden-Württemberg in den nächsten Tagen Kontakt zu ihnen aufnimmt“, sagt die Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier (parteilos). Im September beginnt das Amt in den Kommunen des Landes mit der Vorbefragung für den Zensus 2022.

 

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Ausgewählte Eigentümer beziehungsweise Verwaltungen erhalten im September ein Anschreiben mit Zugangsdaten zu einem Online-Fragebogen und werden gebeten, Auskunft zu ihrem Gebäude oder ihrer Wohnung zu erteilen. „Die maximal elf Fragen können schnell und einfach beantwortet werden“, versichert das Statistische Landesamt. Das Ganze nehme nur etwa fünf bis zehn Minuten in Anspruch. Der Schutz personenbezogener Daten habe höchste Priorität und Rückschlüsse auf einzelne Personen oder die Weitergabe von Daten an Dritte seien ausgeschlossen. Die Online-Datenübermittlung erfolgt verschlüsselt und die Daten werden nur für statistische Zwecke genutzt.

Bestandsaufnahme ist nötig

Die Vorbefragung diene lediglich der Überprüfung der vorliegenden Daten zu Gebäuden und Eigentumsverhältnissen, heißt es in der Mitteilung der Statistiker . So soll sichergestellt sein , dass die Angaben zu den auskunftspflichtigen Personen sowie zu den Gebäuden und Wohnungen im Jahr 2022 korrekt vorliegen und die Belastung aller Beteiligten minimiert wird, lautet die Begründung des Statistischen Landesamts.

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Die Auswahl der Auskunftspflichtigen für die Vorbefragung hänge von der Struktur und Aktualität der Daten ab, die dem Statistischen Landesamt vorliegen. Wer bei der Vorbefragung kein Schreiben erhält, wird erst bei der Gebäude- und Wohnungszählung 2022 befragt. Diese Erhebung geschieht flächendeckend, das heißt, es werden alle Eigentümer beziehungsweise Verwaltungen von Gebäuden mit Wohnraum und Wohnungen befragt. Mit der Erhebung wird ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Diese Bestandsaufnahme wird als notwendig erachtet, um verlässliche Basisdaten für Planungen zu haben, denn viele Entscheidungen in Bund, Ländern und Gemeinden beruhen auf Bevölkerungs- und Wohnungszahlen.

Zensus 2011 führte zu mehreren Klagen

Auf das Thema Zensus ist die Rutesheimer Stadtverwaltung allerdings nicht gut zu sprechen, denn die jüngste Zählung am 9. Mai 2011 hat der Stadt einen herben Verlust beschert. „Das Statistische Landesamt hatte unsere Einwohnerzahl mit 9764 Einwohnern und damit um 501 weniger als unsere amtliche Fortschreibung von 10 265 festgestellt“, sagt der Erste Beigeordnete Martin Killinger im Rückblick.

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Ähnlich erging es Renningen, Weil der Stadt und Ditzingen. Dass die Kommunen das nicht einfach hinnehmen, hat weniger mit gekränktem Lokalstolz zu tun, sondern damit, dass die Einwohnerverluste für die betroffenen Kommunen rund 800 Euro pro Einwohner und Jahr weniger Geld bedeuten. Deshalb zogen viele Gemeinden vor den Kadi. Immerhin 144 der 350 Kommunen, die bei den Verwaltungsgerichten klagten, sind aus dem Südwesten gewesen. Je nach Größe der Kommune wurden beim Zensus unterschiedliche Methoden angewandt.

Abweichung bei Daten oft ab 10 000 Einwohnern

Genau die sind der Knackpunkt: Bei Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern wurde nur eine Frage nach der Zahl der Personen in einem Gebäude gestellt – von 10 000 Einwohnern an waren pro Person 45 Fragen zu beantworten. Befragt wurden zehn Prozent der Haushalte, diese Zahlen wurden mit zehn multipliziert. Auch Rutesheim, Renningen (607 Einwohner weniger), Weil der Stadt (600 Einwohner weniger), Ditzingen (etwa 600 Einwohner weniger) reichten 2014 mit Unterstützung des Städtetags Musterklagen ein, weil ihnen Bewohner „abhanden gekommen“ waren. Ihr Ziel: die Zahlen zu revidieren. Zudem beklagten sie die mangelnde Transparenz der Erhebung.

Es fiel auf, dass es vor allem in Kommunen über 10 000 Einwohnern häufig Abweichungen gab. „Ursachen waren wohl die unterschiedlichen Erhebungsmethoden“, sagt Killinger. Bis 10 000 Einwohner war es eine Vollerhebung nach dem Prinzip „Wie viele Personen wohnen in diesem Gebäude?“. Rückfragen erfolgten nur bei einer vom Melderegister abweichenden Personenzahl.

2022 hoffentlich keine Probleme mit Fragebogen

Ab 10 000 Einwohner wurden in ausgewählten Haushalten Stichproben genommen, ohne Nachfrage bei vom Melderegister abweichenden Personenzahlen. Zudem mussten diese Haushalte je Person einen Bogen mit 47 Fragen ausfüllen. „Mir sind Haushalte bekannt, die das – wegen des großen Aufwands - nur für die Eltern, aber nicht mehr für die Kinder gemacht haben“, berichtet Killinger. Mit der Folge, dass diese Einwohner fehlten und das dann mit zehn multipliziert wurde.

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Im Herbst 2018 hat das Bundesverfassungsgericht über den Zensus geurteilt. Im Falle von Berlin und Hamburg sei das Zählverfahren rechtens und verstoße nicht gegen die Verfassung, hieß es in Karlsruhe. Danach zogen die anderen ihre Klage zurück, in der Hoffnung, dass es 2022 keine Probleme gibt.

Gesetzliche Grundlagen

Zensus
Turnusgemäß findet in allen Mitgliedsstaaten der EU ein Zensus statt, der eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung einschließt. In Deutschland ist der nächste Zensus zwar erst 2022, doch bereits jetzt wird das Statistische Landesamt aktiv.

Auskunftspflicht
 Die gesetzlichen Grundlagen für die Datenerhebung sind das Bundesstatistikgesetz, das Zensusvorbereitungsgesetz und das Zensusgesetz. Nach Paragraf 24 dieses Gesetzes besteht für die Befragten Auskunftspflicht.

Weitere Infos
www.zensus2022.de/DE/Wer-wird-befragt/Vorbefragung-gebaeude-und-wohnungszaehlung.html