Die Landeshauptstadt rutscht nach der Bevölkerungszählung unter die Marke von 600.000 Einwohnern. Beim Wohnungsbestand überrascht der Zensus mit der Darstellung einer relativ hohen Leerstandsquote.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat auf einen Schlag 22 377 Einwohner verloren. Ursächlich für den Aderlass ist die „Zensus 2011“ genannte Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung – die erste seit der letzten Erhebung 1987. Auf deren Basis hat das Statistische Landesamt seine Einwohnerzahlen aktualisiert. Am 9. Mai 2011 hatten also nicht 608 267 Bürger ihren Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt, sondern „nur“ 585 890, das ist ein Minus von 3,6 Prozent. Auf Grundlage dieser Zahl wird nun die kommunale Einwohnerstatistik bis zur nächsten Volkszählung 2021 geführt. Seit 2011 seien übrigens schon wieder rund 7000 Einwohner hinzugekommen, sagt der Leiter des Statistischen Amts Stuttgart, Thomas Schwarz.

 

Woher kommt die Abweichung gegenüber dem städtischen Melderegister? Sie sei besonders in Städten mit vielen Studenten und damit erheblicher Fluktuation groß, sagt OB Fritz Kuhn. Viele Studierende melden sich nicht an, es gebe, so Schwarz, seit einigen Jahren aber auch generell keine Pflicht mehr zur Abmeldung. Da es viele mit der Anmeldung nicht so genau nähmen und aktuell weder einen Personalausweis benötigen noch ein Auto anmelden müssen, belässt das Statistische Landesamt diese weggezogenen Bürger weiter in seinen Unterlagen.

Die Einwohnerzahlen der 16 größten Städte Baden-Württembergs wurden übrigens um 4,1 Prozent nach unten korrigiert. Je kleiner die Stadt oder die Gemeinde ist, desto geringer ist auch die Abweichung. Das lässt darauf schließen, dass sich die gesunkene Einwohnerzahl Stuttgarts negativ auf die Stadtkasse auswirken wird – Stichwort Schlüsselzuweisungen beim kommunalen Finanzausgleich. Der Rückgang schlägt sich in niedrigeren Ausgleichszahlungen des Landes nieder. Pro Bürger sind etwa 1000 Euro anzusetzen, so dass ein jährliches Minus von 23 Millionen Euro pro Jahr zu erwarten wäre.

Stuttgart ist eine Single-Stadt

OB Fritz Kuhn sagt aber, die Auswirkungen seien noch unklar. Für einen Vergleich benötige er den Feststellungsbescheid über die amtliche Einwohnerzahl der anderen Städte. Wenn alle weniger Bürger hätten als bisher, würde sich kaum etwas ändern, betont Amtsleiter Schwarz. Außerdem werde sich die neue Einwohnerzahl nur schrittweise beim Finanzausgleich niederschlagen, sagt Fritz Kuhn. Erst 2016 werde sie dann die alleinige Grundlage darstellen.

Die Stadt hatte zum Stichtag 287 060 Stuttgarter und 298 830 Stuttgarterinnen. 16 530 Kleinbürger bis drei Jahre wurden gezählt und 49 980 über 75-Jährige. Die größte Gruppe bilden die 30- bis 39-Jährigen (15,5 Prozent). 20 Prozent sind Ausländer, aber 38,6 Prozent haben einen Migrationshintergrund.

Stuttgart ist eine Single-Stadt. 47,4 Prozent Ledige sind registriert, verheiratet sind 39,6 Prozent. In diesem Wert sind gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft enthalten. Die großen christlichen Konfessionen kommen auf 56 Prozent: 30,5 Prozent sind in der evangelischen Kirche, 25,5 Prozent in der katholischen. 44 Prozent sind unter „Sonstige, keine, ohne Angabe“ zusammengefasst.

Daten über den Erwerbsstatus und den Bildungsstand

Der Zensus hat auch Daten über den Erwerbsstatus und den Bildungsstand der Stuttgarter geliefert. So gab es in der Stadt zum Stichtag 317 400 Erwerbspersonen – davon sind im Jahr 2011 lediglich 2,8 Prozent ohne Arbeit gewesen. Drei Viertel arbeiten in Dienstleistungsbereichen, nur ein Viertel im produzierenden Gewerbe. Land- und Forstwirtschaft sowie die Fischerei haben fast keine Bedeutung (0,6 Prozent) für den Arbeitsmarkt.

Vier von fünf Beschäftigten sind Arbeiter oder Angestellte, die Zahl der Beamten beträgt gerade einmal 4,5 Prozent. Doppelt so hoch ist die Zahl der Selbstständigen. Interessant für die künftige Verkehrspolitik der Stadtverwaltung: 73,7 Prozent der Einwohner haben ihren Arbeitsplatz innerhalb der Stadtgrenze; davon arbeiten 5,9 Prozent sogar zu Hause.

Zwei von fünf über 15-Jährige haben das Abitur gemacht, ein Viertel hat einen Hauptschulabschluss, dagegen können 9,3 Prozent keinen Abschluss vorweisen. Fast 30 Prozent der Stuttgart haben keine berufliche Ausbildung durchlaufen. Diese können 45,7 Prozent vorweisen. Einen Hochschulabschluss haben 24,9 Prozent.

Jedes sechste Haus ist vor 1919 gebaut worden

Derlei Betrachtungen konnte das Statistische Amt Stuttgart auch bisher schon vornehmen. Der Zensus 2011 liefert der Behörde nun aber erstmals seit langer Zeit wieder aktuelle demografische Daten zum Gebäude- und Wohnungsbestand. Vor dem Hintergrund der Wohnraumverknappung im Ballungsraum und der Ambitionen von OB Kuhn, diese Situation zu verbessern, sind die Informationen ein Segen für die Statistiker.

In Stuttgart gab es 2011 exakt 78 167 Gebäude mit 302 619 Wohnungen. Immerhin jedes sechste Haus ist vor 1919 gebaut worden, rund 60 000 entstanden zwischen 1919 und 1978. Zwischen 2009 und Anfang 2011 sind 781 Gebäude mit 3246 Wohnungen dazugekommen.

Etwa die Hälfte der Gebäude sind frei stehend und haben ein bis drei Wohnungen. Es gibt 40 000 Doppel- und Reihenhäuser. Ein Drittel aller Gebäude hat eine Wohnung, ein weiteres Drittel drei bis sechs Wohnungen. Nur drei Prozent der Häuser haben mindestens 13 Einheiten.

Trend geht zum privaten Hausbesitz

Der Trend geht zum privaten Hausbesitz (fast 50 000 Gebäude). Genossenschaften verfügen über 2811 Einheiten, die städtische SWSG hat demnach 3091 Wohnungen in ihrem Bestand, Bund und Land kommen auf 332 Wohnungen.

Nahezu jede dritte Wohnung wird vom Eigentümer genutzt, 198 000 sind vermietet – und immerhin 11 408 stehen leer. Die durchschnittliche Größe beträgt 76,7 Quadratmeter. 4000 Wohnungen haben allerdings 200 und mehr Quadratmeter. Im Schnitt hat eine Einheit 3,7 Räume. In Stuttgart gibt es 14 553 Wohnungen mit sieben und mehr Zimmern. Erstaunlich auch: In 2417 Wohnungen gibt es weder Bad noch WC.

Die Gebäudezählung hat auch ergeben, dass es in 307 Wohnungen keine Heizung gibt und 593 über ein Blockheizkraftwerk Wärme beziehen. 48 000 Gebäude verfügen über eine Zentralheizung.

Im nächstes Frühjahr liegen die kompletten Zensusdaten vor

Amtsleiter Schwarz sagt, diese Eckzahlen würden in den nächsten Wochen und Monaten analysiert. „Richtig interessant“ wird es für den Statistiker, wenn ihm nächstes Frühjahr die kompletten Zensusdaten vorlägen und er dann die Zahlen für jeden Straßenzug, jeden Stadtteil und jeden Bezirk erheben kann. „Hier dürften sich einige neue Erkenntnisse über die soziodemografische Zusammensetzung der Bevölkerung, zum Wohnungsmarkt sowie zur Wohnungsversorgung in dieser Stadt gewinnen lassen“, so Schwarz.

Der zuständige Bürgermeister Martin Schairer hob ebenfalls die Bedeutung der Zensuszahlen hervor. Mehr als 50 Rechtsvorschriften nähmen auf die amtlichen Einwohnerzahlen Bezug. Neben dem Finanzausgleich seien dies etwa die Verteilung der Länderstimmen im Bundesrat und die Wahlkreiseinteilung.