Das merkwürdige Vorgehen südafrikanischer Elitesoldaten im Putschistenland Zentralafrikanische Republik wirft am Kap der Guten Hoffnung immer mehr Fragen auf.

Johannesburg - Südafrikas Sonntagszeitungen zeigten selbst zu Ostern kein Erbarmen. „Wir haben Kinder getötet“, schrie die „Sunday Times“ geradezu auf ihrer Titelseite: Es waren die Worte eines Soldaten, der als Teil einer südafrikanischen Schutztruppe in der Zentralafrikanischen Republik in heftige Kämpfe mit den Rebellen verwickelt war. Je mehr Details von dem Putsch dort vor zehn Tagen bekannt wurden, desto mehr verfinsterte das Bild: „Erst als die Schusswechsel aufhörten, merkten wir, dass wir auf Kinder geschossen hatten“, berichtet ein anderer Soldat: „Die Verletzten schrien nach ihren Müttern.“

 

Mindestens 500, manche sagen sogar über 700 Rebellen sollen die Elitesoldaten vom Kap der Guten Hoffnung an jenem Samstag vor ihrem nur wenige Kilometer außerhalb der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui gelegenen Lager erschossen haben. Mehr als neun Stunden hielten die Kämpfe an, die auch 13 Südafrikanern das Leben kosteten – so viel Tote hatte die südafrikanische Armee seit den Apartheidstagen nicht mehr zu beklagen.

Bodenschätze wecken Begehrlichkeiten

Am Kap der Guten Hoffnung wird jetzt der Mut der eigenen Soldaten gefeiert, die – gerade mal 200 Mann zählend – gut 2000 Rebellen die Stirn geboten hätten: Doch immer lauter wird auch die Frage gestellt, was die Truppe in dem Unruhestaat zu suchen hatte. „Sind wir hierhergekommen, um Kinder zu töten?“, fragt ein weiterer der inzwischen heimgekehrten Elitesoldaten.

Zeitungen berichten von kaum erschlossenen Bodenschätzen der Republik – und von südafrikanischen Geschäftsleuten, die sich um Lizenzen für den Bodenschatzabbau entweder bemüht oder diese bereits erhalten hätten. Eine der Firmen soll enge Beziehungen zum regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) unterhalten, meldet die Wochenzeitung „Mail und Guardian“: Zum Schutz von deren Interessen sei die südafrikanische Eingreiftruppe Anfang des Jahres in die Zentralafrikanische Republik entsandt worden – eine Behauptung, die vom ANC schärfstens zurückgewiesen wird: „Sie pissen auf die Gräber unserer galanten Kämpfer“, meint ein Sprecher der Regierungspartei.

Pretorias undurchsichtige Interessen

Was sollte sie sonst in der fast 5000 Kilometer entfernt gelegenen Staatsruine im Regenwald? Pretoria verweist auf eine sechs Jahre alte Vereinbarung, wonach Offiziere vom Kap der Guten Hoffnung die zentralafrikanische Armee trainieren sollten. Dazu brauche man keine 200 Elitesoldaten, wenden Skeptiker ein. Offensichtlich sollten diese die bröckelnde Macht des vor zehn Jahren selbst durch einen Putsch an die Macht gekommenen Präsidenten François Bozizé schützen. Südafrikas oppositionelle Demokratische Allianz denkt sogar über eine Amtsenthebungsklage gegen Präsident Jacob Zuma wegen „Irreführung des Parlamentes“ nach.

Schon seit Jahren musste sich Bozizé einer immer stärker werdenden Opposition erwehren. Die in der Rebellentruppe Seleka (Allianz) zusammengeschlossenen Regierungsgegner sahen sich von dem Autokraten benachteiligt: Immer neue unter internationaler Vermittlung zustande gekommene Vereinbarungen soll der einstige Offizier nicht eingehalten haben. Zuletzt ging auch dem einstigen Freund Bozizés, dem tschadischen Präsidenten Idriss Déby, die Geduld mit dem Nachbarn aus: Unter den rund 6000 Seleka-Rebellen hätten sich auch zahlreiche Kämpfer mit tschadischem Akzent befunden, heißt es.

Der Rebellenchef hat das Land unter Kontrolle

In letzter Minute begab sich Bozizé nach Pretoria, um die südafrikanischen Freunde um mehr Feuerkraft zu bitten. Doch der Appell kam zu spät: Am nächsten Tag überrannte die Rebellentruppe die kümmerliche zentralafrikanische Armee mitsamt ihren südafrikanischen „Trainern“. Deren Aufklärung habe die Seleka-Stärke sträflich unterschätzt, sagen Militärexperten am Kap: Hätten die Rebellen geahnt, dass ihren Gegnern am Ende des neunstündigen Gefechts die Munition ausgegangen war, hätten sie gewiss keinem Waffenstillstand zugestimmt. Wesentlich mehr südafrikanische Todesopfer wären die Folge gewesen.

Längst ist Bozizé außer Landes, zunächst ins benachbarte Kamerun, dann nach Benin geflohen. Nach anfänglichem Chaos brachte Rebellenchef Michel Djotodia inzwischen das Land einigermaßen unter Kontrolle: Der in der Sowjetunion ausgebildete Muslim setzte am Sonntag eine neue Regierung ein, will aber bis zu Wahlen in drei Jahren das Land als Präsident „per Dekret“ regieren. Djotodia kündigte bereits an, die mit Südafrikanern geschlossenen Minenverträge seines Vorgängers „einer sorgfältigen Überprüfung“ zu unterziehen: Es gebe Hinweise, dass die „schlecht“ ausgehandelt worden seien.

Derweil zog Südafrika seine aufgeriebene Schutztruppe großteils aus dem Putschistenstaat ab. Inzwischen wird von einer neuen Truppe auf dem ugandischen Flughafen Entebbe berichtet: Man warte auf den Beschluss der Regierung zum Abbruch oder zur Verstärkung der zentralafrikanischen Mission, sagte ein südafrikanischer Streitkräfte-Sprecher. Als ob Pretoria nicht genug Schaden angerichtet hätte.