Das Zentrum für Bucherhaltung in Leipzig hat geholfen, die Werke aus der Anna Amalia Bibliothek in Weimar, die nach dem Brand vor zehn Jahren verkohlt und durchnässt waren, zu reinigen und zu trocknen.

Leipzig - Es gibt den Feuerwehrnotruf, die Polizei-Hotline, den medizinischen Notfalldienst – und es gibt den Notruf des Zentrums für Bucherhaltung (ZfB). „Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr“, sagt der Geschäftsführer Manfred Anders, sei sein Leipziger Team für die meist hochbetagten „Patienten“ erreichbar. Denn was seine 35 Leute bieten, sucht selbst außer Landes seinesgleichen: Hochspezialisierte Chemiker, Restauratoren, Ingenieure und Buchbinder beherrschen nicht nur alle Facetten der Erhaltung bibliophiler Schätze, wie Entsäuerung, Schimmelbeseitigung, Papierrestaurierung und Tintenfraßbehandlung. Sie forschen auch in diesem Metier, arbeiten an internationalen Projekten und haben ihre Technik selbst entwickelt.

 

Zehn Jahre nach dem Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sind auch in Leipzig die Erinnerungen an diese schnelle Eingreiftruppe hellwach. Denn ein Großteil der geretteten Bücher ging sofort an Anders und seine Leute. Sobald ein neuer Lkw mit durchnässten oder verkohlten Klassikern vorrollte, „lief es die Nacht durch rund“, erinnert sich Anders.

Nasse Bücher müssen tiefgefroren werden

Der Auftrag an das ZfB lautete seinerzeit: Bestmögliche Erstversorgung des unwiederbringlichen Kulturgutes. Der erfahrene Chemiker, der in Tübingen studiert und in Stuttgart promoviert hat, wusste: Um tropfnasse Bücher für ihre spätere Restaurierung zu retten, müssen sie binnen 24 Stunden tiefgefroren werden. „Denn bei Minus 20 Grad kann Schimmel – die größte Gefahr bei feuchtem Papier – nicht wachsen“, erklärt er. Also vereiste man die durchweichten Goethe, Schiller & Co. in speziellen Gefriertrocknern, um das Nass direkt vom eis- in den gasförmigen Zustand zu bringen. Mit Ruß und Schlamm kontaminierte Bände wurden zuvor feucht gereinigt. Tausende Bücher umwickelten seine Leute von Hand straff mit Mullbinden, um sie wieder in Form zu bringen. „Wir hießen bereits ,Bücherklinik‘, weil wir jeglichen Bindenvorrat der Apotheken in und um Leipzig aufgekauft hatten.“

Noch heute hat der 51-Jährige die Zahlen schnell zur Hand: 25 Tonnen Kulturgut, konkret 33 890 Bücher, reinigten und trockneten die Leipziger. Hinzu kamen 21 Tonnen Weltliteratur, deren Einbände oft stark verkohlt waren, so dass sie zusätzlich einer re-stauratorischen Erstbehandlung bedurften. „Zum Glück brennen Bücher schlecht, damit ließen sich die Innenseiten oft gut retten“, so Anders. Alles in allem seien um die 85 000 Bände aus dem Anna-Amalia-Fundus durch ihre Hände gegangen.

Der Säurefraß ist eine Bedrohung für Bücher

Während inzwischen Sorge getragen werde, den Schutz der „Gedächtnisinstitutionen der Gesellschaft“, wie er es nennt, gegen solche Katastrophen besser zu schützen, sieht er eine „weitere Zeitbombe“ in Bibliotheken, Archiven und Museen ticken: Säurefraß. Seit etwa 1850 würden Bücher, um das Auslaufen der Schrift zu verhindern, mit Alaun getränkt. Die hierin enthaltenen Schwefelsäureteilchen führten bei langer Lagerung zum Zerfall des Papiers. Zwischen 50 bis 70 Prozent der historischen Bestände in Deutschland seien heute „versäuert“, nicht wenige bereits irreversibel. Darum entwickelten die sächsischen Experten ein effizientes Verfahren zur Massenentsäuerung. Selbst ausländische Sammlungen lassen hier nun ihre Raritäten zukunftsfest machen, und das will etwas heißen.