Vor 80 Jahren begann die fahrplanmäßige Überquerung des Atlantiks mit Luftschiffen. Der Kapitän Hugo Eckener prägte die rasche Entwicklung.  

Ein Transatlantikflug bot in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts den Komfort der ersten Klasse eines Ozeandampfers. Im Bordrestaurant servierte der Steward an blumengeschmückten Tischen mehrgängige Vier-Sterne-Menüs auf Designergeschirr zu einer Auswahl erlesener Weine. In der Lounge wurde Konzerten gelauscht, im Salon durfte geraucht werden. Besonders gern standen die Passagiere an den riesigen, aufklappbaren Fenstern und schauten auf Kirchtürme, Schlösser, fahrende Züge, Küstenlinien oder Delphine und Wale, die in der Tiefe vorbeizogen. Wer müde war, konnte sich in seine komfortable Kabine mit fließend Warm- und Kaltwasser zurückziehen.

 

Voraussichtlich wird man dieses Flair, den die Passagierluftfahrt zu ihrem Beginn bot, nie wieder genießen können. Die Ära der Riesenzeppeline dürfte unwiederbringlich vorbei sein. Zu groß ist der Zeitvorteil des Flugzeugs. So dauerte die Reise von LZ127 "Graf Zeppelin" von Friedrichshafen nach Lakehurst bei New York mindestens 55 Stunden, nach Rio de Janeiro war der Fluggast im Durchschnitt 95 Stunden in der Luft. Ein Dampfer benötigte für die Strecke freilich drei Wochen. Auch die Führergondel des Zeppelins erinnerte eher an die Brücke eines Schiffes, als an ein Cockpit. Der Kapitän stand hinter einem riesigen Steuerrad und blickte durch eine übermannshohe Rundumverglasung.

Die prägende Persönlichkeit unter den Zeppelinkapitänen war Hugo Eckener. Der Name ist heute nur noch wenigen geläufig, doch damals war Eckener ein Weltstar. Im Oktober 1924 hatte das Luftschiff LZ 126 unter seiner Führung in 77 Stunden von Friedrichshafen aus im Non-Stop Flug erstmals den Atlantik überquert. Als LZ 126 am 16. Oktober 1924 in Lakehurst landete, jubelten dort Hunderttausende, die mit dem Auto und 30 Extrazügen aus dem 100 Kilometer entfernten New York angereist waren. Im dichten Konfettiregen, begleitet von Hunderten berittenen Polizisten, rollte Eckener bald im offenen Wagen durch New Yorks Häuserschluchten. Zehntausende säumten die Strecke. Sogar US-Präsident Calvin Coolidge empfing den "International Hero" im Weißen Haus. Nur Charles Lindbergh hat nach seinem Atlantikflug drei Jahre später eine vergleichbare Triumphfahrt erlebt.

Die erste Erdumrundung mit dem Luftschiff

Der Psychologe, Philosoph und Volkswirt war ursprünglich Journalist bei der "Frankfurter Zeitung", dem Vorläufer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Den Grundstein seiner Luftschifferkarriere legte ein Artikel am 19. Oktober 1900, in dem Eckener die Flugtauglichkeit der Starrluftschiffe des Grafen Zeppelin kritisierte. Daraufhin suchte ihn Graf Zeppelin in seiner Friedrichshafener Wohnung auf. Zwischen den beiden Männern entbrannte ein heftiges Streitgespräch. Schließlich lud Graf Zeppelin Eckener ein, sein Mitarbeiter zu werden. Als Ferdinand Graf von Zeppelin am 8. März 1917 in Berlin starb, erschien es selbstverständlich, dass nur Hugo Eckener in die Fußstapfen des Grafen treten könne.

Von allen "Silberzigarren" brachte es der 236,6 Meter lange LZ 127 "Graf Zeppelin" auf die größte Fahrleistung von unfallfreien 1.695.272 Fahrkilometern. Am 15.Oktober 1928 war Hugo Eckener mit LZ127 nonstop in die USA geflogen. Vom 15. August bis zum 4. September 1929 unternahm Eckener eine Weltfahrt und umrundete erstmals mit einem Luftschiff die Erde. In Japan wie den USA führte die Zwischenlandung des Zeppelins zu Staatsakten und Volksaufläufen. Kaiser Hirohito empfing Eckener feierlich im Palast.

Eckener wollte nun die Tauglichkeit des Zeppelins für einen regelmäßigen Passagierverkehr nach Südamerika nachweisen. Die typische Flughöhe eines Zeppelin liegt mit einigen hundert Metern voll im Wettergeschehen. Als problematisch galt die Zone bei etwa 5 Grad nördlicher Breite, in der der kühle Nordostpassat in die schwülwarme Kalmenzone eindringt. Hier toben fast unablässig schwere Gewitter. In solchen tropischen Regenböen war der Zeppelin bisher unerprobt. Am 18.Mai 1930 startete er deshalb mit LZ 127 "Graf Zeppelin" zu einer Dreiecksfahrt von Friedrichshafen über Rio de Janeiro nach New York und zurück nach Friedrichshafen.

Wetterinferno kurz vor der Landung

Es war eine mondlose Nacht, als LZ 127 über dem Atlantik blind in die befürchteten regenschwangeren Böen hineinstieß und mit Tonnen von Wasser begossen wurde. Eckener: "Es war zeitweise so, als ob wir durch eine Art Niagarafall führen". Doch alles ging gut. Für die Fahrgäste war selbst diese kritische Phase im Luftozean leichter zu ertragen als schwere See auf einem Dampfer.

Als das Luftschiff mit dem monotonen Brummen der fünf Maybach-Motoren mit insgesamt 2650 PS in der Morgensonne über der Bucht von Rio kreuzte, begrüßte es die Stadt mit einem Konzert aus Dampfpfeifen und Sirenen. Bereits nach einer Stunde wurde die Fahrt zum Etappenziel Lakehurst, nahe New York, fortgesetzt. Zwei weitere Prüfungen folgten. Bei Kuba wurde der Zeppelin von den Ausläufern eines Hurrikans kräftig durchgeschüttelt. "Das Luftschiff wurde plötzlich stoßartig so gewaltsam gehoben, dass man meinte, die Beine würden einem in den Leib gedrückt ... zugleich zitterte das Schiff in allen Teilen, und man fragte sich, ob das Gerippe den enormen Beanspruchungen standhalten würde", so Eckener.

Und nur wenige Stunden vor Ende der Reise geriet das Luftschiff über dem Rhînetal in ein seltenes Wetterinferno. Faustgroße Hagelkörner trommelten gegen die Hülle. Ein Flugzeug in der Region stürzte ab. Doch Eckener konnte seine 20 Passagiere am 6. Juni wohlbehalten nach Friedrichshafen zurückbringen.

 1940 war das Zeitalter der Riesenluftschiffe vorbei

Ende August 1931 begann mit LZ 127 der Fahrplandienst über den Atlantik. Die Strecke von Friedrichshafen nach Rio wurde nun etwa monatlich bedient. Eckener legte Wert darauf, dass der Preis von 1400 Reichsmark genau dem einer Ozeanpassage mit dem Dampfer entsprach. Eckener: "Ich bin nur schneller." Die Fahrten waren stets ausgebucht. Die 100. Ozeanüberquerung wurde am 15. September 1935 gefeiert. Auf einem Amerikaflug wurden im Schnitt etwa 50.000 Briefe Õ sieben Gramm und 350 Kilogramm Eilfracht befördert. Hugo Eckener gilt als der Erfinder des Luftpostpapiers.

Nachdem das mit 245 Metern Länge neben dem gleich großen LZ 130 Graf Zeppelin II größte je gebaute Luftschiff LZ 129 "Hindenburg" in Lakehurst 1937 verbrannte, stellte das Dritte Reich die bei Hitler unbeliebte Luftschifffahrt ein. Die Ursache für das Unglück wurde nie geklärt. Gudrun Wolter, die Tochter von Hugo Eckeners Bruder Alex, erinnert sich an die Erzählung ihres Onkels während eines Besuches in Stuttgart: "Es lagen drei Gewitter in der Luft, man hätte nicht landen dürfen".

Offenbar wurde auch von einigen Passagieren wegen eines Termins Druck auf den Kapitän ausgeübt. Auf Befehl Görings wurden die Zeppeline 1940 zerstört. Das Zeitalter der Riesenluftschiffe war zu Ende. Heute ist Hugo Eckener in seinem Heimatland weitgehend vergessen. Dabei hatten noch 1932 die Sozialdemokraten und die Zentrumspartei den Luftschiffer bedrängt, sich als Gegenkandidat Hitlers für den Posten des Reichspräsidenten nominieren zu lassen. Eckener war ein Mann der Mitte, überzeugter Demokrat und Humanist. Goebbels hatte von Eckener erfolglos die Umbenennung der "Hindenburg" in "Adolf Hitler" und die Bemalung der Hülle mit riesigen Hakenkreuzen verlangt.

Dass Eckener die Diktatur überlebte, ist vermutlich auch Reichspräsident Hindenburg zu verdanken, der Hitler am Sterbebett ein Versprechen abgenommen hatte. "Den alten Eckener lassen Sie mir in Ruhe", hatte Paul von Hindenburg laut seinem Leibarzt Sauerbruch Hitler angewiesen. Nach dem Krieg widmete sich Eckener wieder dem Journalismus. Er ist Gründungsherausgeber des "Südkurier".