Der Zeppelin-Familienclan geht juristisch gegen Friedrichshafen vor und will der Stadt die 1947 von den Franzosen aufgelöste Stiftung entreißen. Dagegen wehrt sich die Stadt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Friedrichshafen - Der Schock des 24. September wirkt beim Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand immer noch nach. Er schlafe nachts schon lange wieder ruhig durch, sagte er am Dienstag in Friedrichshafen. Aber natürlich hat der parteilose Rathauschef nicht vergessen können, dass an jenem Tag der Enkel des Luftschiffpioniers, Albrecht von Brandenstein-Zeppelin sowie

 
Albrecht von Brandenstein-Zeppelin Foto: dpa
dessen Sohn Frederic, beim Regierungspräsidium Tübingen beantragten, die 1947 aufgelöste ursprüngliche Zeppelin-Stiftung aus dem Jahr 1909 wiederherzustellen. Es gehe ihm, sagte der vermögende Erbe seither in verschiedenen Interviews, um die Wiederherstellung des ursprünglichen Stifterwillens. Die Stadt Friedrichshafen „missbrauche“ die mildtätige Stiftung zur bloßen „Daseinsvorsorge“.

Fände die Erbenfamilie Gehör, hätte das dramatische Folgen für die Mittelstadt am Bodensee. Ohne die Stiftungserträge – allein für 2016 sind Einnahmen von 52 Millionen Euro budgetiert – wäre Friedrichshafen „eine kleine, malerische, verschlafene Stadt am Bodensee“, sagt der OB. Das Geld wird, gemäß dem Stiftungszweck, der Gemeinnützigkeit vorschreibt, zur Alimentierung des städtischen Klinikums, der örtlichen Museumslandschaft, Jugendtreffs und mancherlei mehr verwendet. Das gibt der Stadt Spielraum, Geld in die Messe oder den örtlichen Flughafen zu leiten und sich damit auf den Standard einer florierenden Industriestadt zu heben.

Das Regierungspräsidium muss den Antrag prüfen

231 Seiten lang ist die von prominenten Anwälten ausgefeilte Antragsschrift Albrecht von Brandenstein-Zeppelins, die jetzt beim Regierungspräsidium liegt. Die Prüfung werde sicher erst 2016 abgeschlossen sein, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Erst müsse die Stellungnahme der Stadt Friedrichshafen zugezogen werden. Mitte Dezember will Brand das erledigt haben. Seine Rechtsmeinung indessen steht jetzt schon fest: „Die Zeppelin-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die unter der Obhut der Stadt Friedrichshafen steht.“ Ihre Existenz sei „unangreifbar“.

Die Stadt hat sich prominente juristische Hilfe geholt. Christoph Schönberger, Verfassungsrechtler an der Universität Konstanz, und Thomas Würtenberger, ehemals Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg, haben Expertisen zu dem Vorgang erarbeitet, den der ebenfalls bestellte Rechtsanwalt Andreas Dietzel von der Frankfurter Kanzlei Clifford Chance Deutschland als eine „Attacke“ auf „eine der bedeutendsten Stiftungen in Deutschland“ bezeichnet. Auch Dietzel hält sie für aussichtslos.

Das Vermögen der Stiftung wurde in die Obhut der Stadt gestellt

1947 ist die alte Zeppelin-Stiftung durch Erlass des damaligen französischen Staatssekretariats aufgelöst, dessen Vermögen unter die Obhut Friedrichshafens gestellt worden, erläuterte der Konstanzer Jurist Schönberger. Das sei in einer Umbruchzeit zwischen Kriegsende und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 geschehen. Es ging den französischen Besatzern bei der Auflösung „um Entmilitarisierung und Entnazifizierung“, sagt Schönberger; die Zeppelin-Unternehmen seien durch ihre „Verstrickung mit den Nazis“ belastet gewesen.

Es habe sich jedoch nicht um eine Enteignung der Zeppelin-Familie gehandelt. „Das Vermögen einer Stiftung gehört niemandem.“ Aber selbst wenn Grundrechte nach heutigem Verständnis verletzt worden wären, sei die Entscheidung nicht revidierbar. Da es das deutsche Grundgesetz 1947 noch gar nicht gegeben habe, könne es im Jahr 2015 nicht plötzlich zum Bewertungsmaßstab herangezogen werden.

Der Freiburger Jurist Würtenberger hält die angemeldeten Ansprüche der Erbenfamilie darüber hinaus für verjährt und verwirkt. Zudem hätten Familienmitglieder erst 1952 und dann noch einmal 1991 rechtsverbindlich ihren Verzicht erklärt, die Stiftung in Frage zu stellen oder anzugreifen. Schon 1952, so Würtenberger, habe die Familie nämlich geklagt und sogar eine Verfassungsbeschwerde eingereicht – alles ohne Erfolg.

Über das Motiv der Familie kann nur spekuliert werden

Offen ist für die Stadtspitze und ihre Anwälte das Motiv, das die Erbenfamilie treibt. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Rathaus, es liege wohl kein Fall von Altruismus vor, man nehme vielmehr einen über Monate vorbereiteten und genauestens choreografierten Angriff mit Hilfe der Medien wahr. Womöglich, wird gemutmaßt, geht es schlicht um Millionenforderungen oder Einfluss bei der Stiftung, die immerhin 93,4 Prozent der Anteile an der milliardenschweren ZF AG hält.

ZF hat vor wenigen Monaten den amerikanischen Konzern TRW gekauft, die Integration ist schwierig und in vollem Gang. „Mit der von Graf Brandenstein-Zeppelin ausgelösten Diskussion und Unruhe kann ZF nicht zufrieden sein“, kommentiert ein Konzernsprecher. Man sei „zufrieden“ mit der Gesellschafterstruktur. Der Oberbürgermeister Brand sagt, bisher habe er keine negativen Signale aus der Belegschaft des größten Arbeitgebers am Ort empfangen.

Die Wurzeln der Zeppelin-Stiftung

Die Stiftung hält 93,8 Prozent der Aktien der ZF Friedrichshafen AG und ist Eigentümerin der Luftschiffbau Zeppelin GmbH und der Zeppelin GmbH, zu denen zahlreiche weitere Tochtergesellschaften gehören. Die drei Unternehmen zahlen jährlich Dividenden an die Stiftung. Das Geld – 2016 voraussichtlich 52 Millionen Euro – wird für Maßnahmen des öffentlichen Lebens eingesetzt. Die Stiftung geht zurück auf die Zeppelin-Spende des deutschen Volkes von 1908, die zur Förderung des Luftschiffbaus gedacht war. 1947 wurde die Stiftung vom französischen Militär aufgelöst, das Vermögen kam in Obhut der Stadt Friedrichshafen.

Die Stiftungsaufsicht liegt beim Regierungspräsidium Tübingen. Darüber hinaus kontrollieren die Finanzbehörden die satzungsgemäße Verwendung der Einkünfte. Die aktuellsten Prüfungen der Finanzaufsicht reichen laut dem Oberbürgermeister Brand bis 2012 zurück. Einwände oder Bemängelungen habe es nicht gegeben.