Zertifizierung für Ungelernte Heimliche Fachkräfte

Valikom verschafft formal unterqualifizierten Beschäftigten Wertschätzung – gut so, meint Wirtschaftsredakteur Thomas Thieme, der die Fortsetzung und Ausweitung des Projekts begrüßt.
Stuttgart - Sicher, man könnte Valikom als Randerscheinung von geringer Relevanz abtun. Es waren schließlich nur 132 Personen bundesweit, die in den vergangenen anderthalb Jahren über das Pilotprojekt ein Zertifikat erworben haben. In diesem Papier bescheinigt ihnen eine Handwerkskammer oder IHK nicht mehr und nicht weniger, als dass sie ihren Job beherrschen. Einen Ausbildungsabschluss ersetzt das Dokument formell auch nicht. Ist zwar ganz nett, tut keinem weh, aber nutzt auch niemandem besonders – weit gefehlt.
Ein paar Zahlen gefällig: Jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland, der in einer Fachkraft-, Spezialisten- oder Expertenposition arbeitet, tut dies ohne die erforderliche fachliche Qualifikation. Und sogar mehr als jeder zweite Arbeitnehmer ohne Ausbildungsabschluss übernimmt in seinem Job Tätigkeiten von gelernten Fachkräften. Zu diesen Ergebnissen kam Anfang des Jahres eine Studie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Nun ist zwar per se nichts Schlechtes daran, wenn ein Beschäftigter „formal unterqualifiziert“ ist. In Zeiten, in denen Automatisierung und Digitalisierung die Arbeitswelt in rasantem Tempo umkrempeln, sind Lernwilligkeit, Aufgeschlossenheit und praktisches Know-how im Alltag wichtiger als irgendwann einmal erworbene Zeugnisse oder Urkunden.
Unterqualifizierte verdienen im Schnitt sieben bis elf Prozent weniger
Allerdings verdienen „Unterqualifizierte“ verglichen mit ihren adäquat qualifizierten Kollegen laut der Studie im Schnitt zwischen sieben und elf Prozent weniger. „Das Know-how und das Fachwissen von ungelernten Fachkräften wird nur unzureichend anerkannt“, folgerte Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger ganz treffend. Für so manchen Arbeitgeber mag es opportun sein, an diesem Status quo festzuhalten.
Aus Sicht der Beschäftigten jedoch ist die mangelnde Anerkennung, in finanzieller Form wie auch als Wertschätzung seiner Arbeit, das Hauptargument für Valikom. Jeder Arbeitnehmer gelangt im Laufe seines Berufslebens an Wegmarken, an denen die rein formelle Qualifikation eben doch eine Rolle spielt: Sei es bei Gehaltsverhandlungen und Beförderungen oder wenn er sich um eine neue Arbeitsstelle bewirbt. Daher ist es sehr sinnvoll, dass auch altgediente Beschäftigte ohne Facharbeiter- und Gesellenbrief nach sorgfältiger Prüfung ihrer Kompetenzen etwas in die Hand bekommen.
Unsere Empfehlung für Sie

Virtuelles Angebot für angehende Azubis Im Elterncafé über den künftigen Job informieren
In Zeiten der Corona-Pandemie finden angehende Azubis und Ausbildungsbetriebe nur schwer zueinander. Viele Möglichkeiten der Kontaktaufnahme sind schlicht nicht möglich. Deshalb wurde das Elterncafé eingerichtet, das rein virtuell stattfindet.

LBBW will 700 Stellen kürzen Der Kundenkontakt könnte leiden
Auch wenn noch über die Details des Stellenabbaus verhandelt wird: Den Stellenabbau bei der LBBW werden vor allem die Privatkunden spüren, sagt Redakteur Klaus Dieter Oehler.

Corona und die Digitalisierung Eine Chance für Frauen
Die zunehmende Digitalisierung, die Demografie und die Frauenquote in Vorständen – selten waren die Bedingungen für Frauen günstiger, ihren Traumjob zu ergattern, meint Inge Nowak.

Geldanlage Bitcoins sind keine Goldstücke
Die Kryptowährung lockt mit enormen Wertzuwächsen. Den Chancen steht jedoch die Gefahr eines Totalverlusts gegenüber, warnt Wirtschaftsredakteurin Barbara Schäder.

Resilienz im Wirtschaftsleben Bedingt abwehrbereit
Corona fordert die Widerstandskraft heraus, Resilienz ist der Begriff der Stunde. Die Idee hat aber auch ihre Grenzen, kommentiert unser Autor Matthias Schmidt.

Ludwigsburger Zulieferers Mann+Hummel Die Feinstaubfilter haben großes Potenzial
Die von der EU-Kommission mit einem Millionenbetrag geförderte Technologie des Ludwigsburger Zulieferers Mann+Hummel hat das Zeug, sich zum Exportschlager in die Megastädte dieser Welt zu entwickeln, meint Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz.