Meinungsverschiedenheiten gibt es zwar, doch die atmosphärischen Störungen zwischen Daimler-Chef Dieter Zetsche und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sind längst Vergangenheit.
Stuttgart - Diesen Satz wird Winfried Kretschmann nicht mehr los. „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr“, meinte der Grüne vor seinem Antritt als baden-württembergischer Ministerpräsident und löste damit einige Irritationen in der PS-Branche aus. Auch am Freitag, in einer Gesprächsrunde gemeinsam mit Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Abschluss eines Symposiums zur Zukunft des Automobilstandorts Baden-Württemberg wird der Ministerpräsident vom Moderator mit dem Satz konfrontiert. Kretschmann sieht keinen Korrekturbedarf. „Ja genau so“ würde er es immer wieder sagen. Doch man dürfe den Satz nicht aus dem Zusammenhang reißen. Damals habe er hinzugefügt: „Wir müssen Mobilitätskonzepte verkaufen und nicht nur Autos.“
Dieter Zetsche macht keinen Hehl daraus, dass er damals Schwierigkeiten hatte, die ersten Signale nach dem Regierungswechsel zu deuten. „Da standen ein paar markige Sprüche im Raum“, meint der Daimler-Chef, der sich ehrgeizige Absatzziele gesetzt hat.
Es gibt auch heute noch Meinungsverschiedenheiten wie beim Thema Tempolimit oder Straßenausbau. Doch die atmosphärischen Störungen zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Konzernchef sind längst beigelegt, wie beide unisono versichern. Die Spitzenmänner hatten sich wenige Tage nach dem irritierendem Interview zu einem Gespräch getroffen. Kretschmann erzählt, er habe damals seine Vorstellungen von Nachhaltigkeit erläutert, Zetsche habe seine Vision vom emissionsfreien Fahren präsentiert. Man sei sich schnell einig gewesen, dass es viel mehr gemeinsame Interessen gebe als Meinungsverschiedenheiten.
Kretschmann lobt den Autokonzern
Kretschmann will nicht mehr von der „Innovationspeitsche“ in Form von scharfen Emissionsgrenzwerten sprechen, mit der die Autobauer angetrieben werden sollen, umweltfreundlichere Wagen zu bauen. Der Ministerpräsident verwendet lieber das mildere Wort „Innovationsdruck“.
Zetsche stellt klar: „Uns muss niemand zum Jagen tragen.“ Dies habe der Ministerpräsident auch bei mehreren Besuchen in Daimler-Fabriken erkannt. Im September war Kretschmann im Werk Untertürkheim. Dort hat ihm der Konzernchef versichert, dass „Baden-Württemberg auch künftig das Herz von Daimler und Mercedes-Benz bleibt“ und allein zwei Milliarden Euro Investitionen in diesem Jahr in die baden-württembergischen Pkw-Werke Untertürkheim, Sindelfingen und Rastatt fließen. Kretschmann hob das Engagement des Autobauers beim Elektro- und Wasserstoffantrieb hervor. „Daimler hat die Zeichen der Zeit erkannt“, resümierte der Ministerpräsident.
Dies wiederholt er. Daimler investiere viel Geld in nachhaltige Mobilität, sagt Kretschmann. Noch vor fünf Jahren sei er unzufrieden gewesen, wenn er die Prospekte des Konzerns durchgeblättert habe. Stolz ist Kretschmann auf das Carsharingprojekt Car2go, bei dem der Autobauer, das Land und weitere Partner gemeinsame Sache machen. Für Kretschmann ist es ein „Leuchtturmprojekt“. Es sei wichtig, dass die Menschen das Elektroauto selbst fahren können. Mit weniger Autos könne man dennoch flott mobil bleiben.
Die Region Stuttgart sieht Zetsche bestens positioniert
Der Daimler-Chef sieht diese Form von Mobilität als zusätzlichen Wachstumsmarkt. Noch schreibt der Autokonzern im Carsharing rote Zahlen. Doch in den ersten Städten, in denen allerdings keine Smart mit Elektroantrieb, sondern mit Verbrennungsmotor vermietet werden, habe man in den vergangenen Monaten schwarze Zahlen geschrieben. „Wir werden ein Milliardengeschäft aufbauen können, das profitabel ist“, verspricht Zetsche. Auch das Zukunftsgeschäft mit Elektroautos sehen Zetsche und Kretschmann als Chance und nicht als Bedrohung von Arbeitsplätzen. Der Ministerpräsident rechnet vor, dass, selbst wenn das ambitionierte Ziel erreicht werde, bis zum Ende des Jahrzehnts eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, das nur zweieinhalb Prozent der Fahrzeugflotte ausmache.
„Der klassische Antrieb wird noch lange das Bild unserer Produktion bestimmen“, glaubt Kretschmann. Zetsche zitiert eine Studie, wonach der langsame Übergang zu grünen Technologien in den kommenden Jahrzehnten eher zu mehr Beschäftigung führen werde, weil Autos mit unterschiedlichen Antrieben produziert werden.
Die Region Stuttgart sieht Zetsche bestens positioniert, die Herausforderungen zu bewältigen. Hier gebe es eine gute Mischung aus Wissenschaft, mittelständischen Unternehmen und Konzernen. „Wir sind das Silicon Valley der Autoindustrie“, meint der Daimler-Chef.