Ohne ihn würde der Prozess in München wahrscheinlich gar nicht stattfinden: Michael Menzel hat entscheidenden Anteil daran, dass Beate Zschäpe auf der Anklagebank sitzt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Mehr als 50 Verhandlungstage geht der Münchner NSU-Prozess nun schon, doppelt so lang mindestens mag er insgesamt dauern: Zeugen kommen, Zeugen gehen, und die Verteidigung von Beate Zschäpe öffnet routiniert eine weitere Dose mit Hustenpastillen für die Anwälte und die Angeklagte. Was bleibt haften? In dieser Woche ist es zunächst mal wieder Olaf Klemke, der Anwalt von Ralf Wohlleben, den man länger nicht aus dem Kopf bekommt. Als die Tochter des in Dortmund mutmaßlich vom NSU ermordeten Kioskbesitzers Mehmet Kubasik darstellt, welch infamer Verdächtigung und Nachrede seitens der Behörden und der Bevölkerung ihre Familie jahrelang ausgesetzt gewesen sei, will Klemke, wie immer sehr unschuldig tuend wissen, ob die Mitschüler von Gamze Kubasiks Bruder, die hetzten, „türkischer oder deutscher Herkunft“ gewesen seien. Obwohl der immer noch ziemlich souveräne Richter Olaf Klemkedie Relevanz dieser Unterscheidung sofort infrage stellt, kommt Klemke immer wieder darauf zurück. Es ist seine Art, Nadeln in Wunden zu setzen, und er tut dies mit fast sadistischem Vergnügen. Schließlich verbietet ihm Götzl diese Formulierung.

 

Es kommt aber auch ein Mann in dieser Woche zu Wort, über den man – ohne zu übertreiben – sagen kann, dass ohne ihn dieser Prozess in München nicht stattfinden würde. Mit hochgezogenen Schultern und in körperlicher und geistiger Dauerspannung beantwortet der 53-jährige Thüringer Leitende Polizeidirektor Michael Menzel die Fragen des Gerichts und der Nebenkläger. Nach wie vor scheint Menzel vor Augen zu haben, wie die Abläufe waren, als am 4. November 2011 in Eisenach zwei Männer – es sind die seit 14 Jahren abgetauchten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – eine Bank nach einem Muster überfallen, das Menzel bekannt vorkommt. Vier Wochen zuvor waren in Arnstadt, nahe Eisenach, nach einem Überfall Personen ebenfalls mit Rädern geflüchtet (wie bei etlichen Morden, die dem NSU zugeschrieben werden). Menzel lässt absichtlich keine Ringfahndung auslösen, sondern alle Abgangswege vom Tatort sperren. Eisenach ist umzingelt von Polizei. Gegen 12 Uhr nähern sich Beamte dem Wohnmobil, werden beschossen und sehen das Gefährt in Flammen aufgehen.

Menzel hat sich nicht beirren lassen – und er hat Glück.

Mundlos erschießt Böhnhardt, legt den Brand und richtet sich selbst mit einer Pumpgun. Menzel betritt ein Schlachtfeld. Neben den für ihn unidentifizierbaren Leichen (die im Laufe der Nacht durch Fingerabdrücke kenntlich werden) findet er auf einem Tisch eine Waffe mit Polizeimunition. Es ist die Pistole der 2007 in Heilbronn erschossenen Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter. Menzel sagt, er habe in diesem Augenblick sofort gewusst, dass es hier um mehr gehe als um einen Banküberfall mit zweifacher Todesfolge. Noch am Abend erkundigt er sich nach der Akte von Uwe Mundlos, den dessen Vater sechs Jahre zuvor als vermisst gemeldet hat. Menzel, Polizist durch und durch, hat keine Unterlagen bei sich. Er hat alles im Kopf. Ist er einmal kurz irritiert von einer Nachfrage, setzt er hinzu: „Glauben Sie mir, dass ich mir die größte Mühe gebe.“

Der bisherige Verlauf des NSU-Prozesses hat vor allem deutlich gemacht, wie ganze Apparate bei der Fahndung versagt haben, weil sie sich selbst und ihr Vorgehen nicht infrage stellten. Menzels Befragung erzählt davon, dass und wie sich ein Einzelner (mit einiger Machtbefugnis) nicht beirren lässt. Menzel hört auf seine Intuition. Vom Apparat ist nicht groß die Rede. Und Menzel hat auch Glück. Genau der Beamte, der in Zwickau Kennzeichen und Halter des Wohnmobils ermittelt, ist noch im Dienst, als um 15 Uhr an diesem Tag das Haus in der dortigen Frühlingsstraße 26 explodiert: die von Beate Zschäpe bis dahin gehütete Unterkunft des Trios. Eine Dreiviertelstunde vorher ist die Meldung von den Eisenacher Geschehnissen in den Medien gewesen. Vier Tage später stellte sie sich. Ohne Michael Menzel freilich säße sie wohl nicht hier.