Vier Jahre steht Wolf-Henning Scheider nun an der Spitze des Autozulieferers ZF. Anfang 2023 nimmt er Abschied. Was Experten über den ZF-Chef sagen.

Der Chef des Autozulieferers ZF, Wolf-Henning Scheider, kündigt seinen Abschied vom Konzern mit folgenden Worten an: „Ich bin nun 35 Jahre in der Automobilindustrie, demnächst werde ich 60 Jahre alt. Ich habe mich dazu entschlossen, noch mal andere Weg zu gehen.“ Den Aufsichtsrat habe er am Vortag darüber informiert.

 

Der gebürtige Saarbrücker, der mit seiner Familie in Stuttgart lebt, strebt keine Verlängerung seines Vertrages an. Noch zehn Monate werde er „aktiv dazu beitragen, dass wir auch durch die aktuelle Krise gut durchkommen“, kündigt er. Danach sei Schluss. Dann werde er eine neue Herausforderung suchen, die „nicht in der Automobilindustrie sein wird“. Welche Pläne er hat, sagt er nicht.

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Scheider steht seit Februar 2018 an der Spitze des drittgrößten deutschen Zulieferers. Damals war die Neubesetzung des Chefsessels bei ZF nötig geworden, weil sein Vorgänger Stefan Sommer, dessen Vertrag noch bis 2022 gelaufen wäre, nach Querelen mit dem Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand, der bei ZF die Gesellschafterrolle einnimmt, Ende 2017 das Unternehmen verlassen hatte.

Die Auseinandersetzung begann mit einem Interview, in dem Sommer OB Brand aufforderte, sich weniger ins operative Geschäft einzumischen. Es ging dabei auch um die Expansionspläne von ZF. Zu forsch sei Sommer bei den Akquisitionen vorgegangen, sagen Kritiker. Er verlor den Machtkampf – und wechselte später vorübergehend zu VW.

Es begann bei Bosch

Die Berufung von Scheider, der seine Karriere bei Bosch begann und 2015 als Chef des Stuttgarter Zulieferers Mahle fortsetzte, war mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht worden. Er stehe als Manager mit seinen fachlichen und menschlichen Fähigkeiten für Kontinuität, lobte etwa der damalige ZF-Aufsichtsratschef Franz-Josef Paefgen. Zudem stehe der neue Chef „für einen moderierten Wandel“, so Paefgen. „Er wird ZF mit Fingerspitzengefühl und im steten Austausch mit allen Anspruchsgruppen durch den herausfordernden Transformationsprozess steuern.“ Auch OB Brand fand lobende Worte. Was sagen sie jetzt, nach der überraschenden Abschiedsankündigung?

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Scheider hat die Erwartungen offensichtlich erfüllt. „Wolf-Henning Scheider hat in den vergangenen vier Jahren ganz entscheidend dazu beigetragen, dass ZF sich in seinen Geschäftsfeldern zu einem führenden Anbieter für modernste elektronische und mechatronische Systeme weiterentwickelt hat“, lobt etwa der amtierende Aufsichtsratchef Heinrich Hiesinger den Scheidenden.

„Dass ZF sich nach den letzten beiden Krisenjahren wieder auf Kurs befindet, ist auch das Verdienst von Wolf-Henning Scheider“, sagen Andreas Brand und Joachim Meinecke als Vertreter der beiden Eigentümer, der Zeppelin-Stiftung und der Dr.-Jürgen-und-Irmgard-Ulderup-Stiftung. „Wir bedauern seine persönliche Entscheidung, respektieren diese aber. Wir danken ihm für sein sehr erfolgreiches Engagement und die ausgezeichnete Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren.“ Mehr will Brand nicht sagen.

Lob von Experten

Stefan Reindl, Direktor am Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen/Steige, bezeichnet die Zeit von Scheider bei ZF als „kurz, aber erfolgreich“. Er spricht gar von „Erfolgs- und Stabilitätsgarant“. Als Beispiel nennt er die unter Vorgänger Sommer zunächst gescheiterte Übernahme des US-Bremsenherstellers Wabco und den Ausbau von ZF zum Anbieter für Bremssysteme im Nutzfahrzeugbereich. Und er verweist auf die Hinwendung zu cloudgestützten Systemen und Innovationen rund um Software und Digitalisierung.

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Der Betriebsrat dagegen bleibt zurückhaltend – und „nimmt die persönliche Entscheidung von Scheider mit Respekt zur Kenntnis“. Mehr nicht.

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Wie sieht es Scheider selbst? Für ihn war die Zeit bei ZF die „erfüllendste und beste meiner gesamten Karriere“, sagt er. „Die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat, mit der Gemeinde, mit dem Oberbürgermeister, mit meinen Vorstandskollegen war phänomenal. Das war wirklich außerordentlich gut“, sagt er. Es gebe keine Zwischentöne, sagt Scheider, der in Saarbrücken und Aachen Betriebswirtschaft studierte. Es habe Bestrebungen gegeben, ihn umzustimmen, ist zu hören. Doch alle Bemühungen, ihn zu halten, sind gescheitert. Der Aufsichtsratschef muss einen Nachfolger suchen.

Herausfordernde Zeiten

Die vergangenen Jahre waren von Krisen gekennzeichnet: Chipmangel, die drastischen Preiserhöhungen bei Komponenten und Frachten, die Pandemie, der Krieg in der Ukraine. 2018 setzte ZF mit 149 000 Mitarbeitern knapp 37 Milliarden Euro um, bei einem Gewinn von 1,2 Milliarden Euro. Im Coronajahr 2020 sackte der Umsatz auf 32,6 Milliarden Euro; unter dem Strich stand ein Verlust von 740 Millionen Euro. In diesem Jahr soll die Marke von 40 Milliarden Euro übersprungen werden.

Hohes Wachstum trotz Halbleitermangels

Jahreszahlen
 Trotz Halbleitermangels sowie deutlicher Verteuerung von Energie und Fracht hat der Zulieferer ZF 2021 seine Ziele erreicht. Der Umsatz stieg um 17,5 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro. Rechnet man Zukäufe heraus, habe das Plus bei 14 Prozent gelegen. Herausfordernd war dabei vor allem das zweite Halbjahr; in diesem Zeitraum sank der Umsatz wegen Lieferkettenproblemen sowie kurzfristig geänderter Abrufzahlen sogar um 2,6 Prozent. Auch 2022 sollen die Engpässe fortbestehen. Das bereinigte Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) verbesserte sich 2021 dennoch auf 1,9 (2020: 1,0) Milliarden Euro. Die Ebit-Marge wuchs auf 5,0 (2020: 3,2) Prozent.

Mitarbeiter
Ende 2021 hat ZF weltweit insgesamt 157 549 Mitarbeiter beschäftigt, gut 4000 mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland sind davon 52 700 tätig. Zusätzliche Stellen wurden vorwiegend in den Bereichen Elektromobilität, autonomes Fahren und Software-Entwicklung geschaffen. ZF setzt auf Qualifizierung etwa in der „E-Cademy“ (E-Mobilität). Bisher haben 13 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den verschiedenen Lernangeboten bereits teilgenommen.

Ziele
ZF nennt eine Prognose für 2022, betont aber, dass sie wegen der aktuellen Lage unter Vorbehalt stehe. Ziel sei ein Umsatz von mehr als 40 Milliarden Euro. Angestrebt werde zudem eine Ebit-Marge zwischen 4,5 und 5,5 Prozent .