Das Klinikum Schloss Winnenden organisiert die Leitung seiner Allgemeinpsychiatrie neu. Deniz Karagülle übernimmt. Der 41-Jährige hat klare Vorstellungen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Eine „natürliche Fluktuation“ hat eine Umstrukturierung im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) angestoßen: Nach dem Weggang des bisherigen Chefarztes am Standort Winnenden, Steffen Creuz, stellt das ZfP seine Kliniken für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie unter eine einheitliche Leitung. Deniz Karagülle, bisher für die Außenstandorte in Schwäbisch Gmünd und Ellwangen zuständig, übernimmt die Gesamtverantwortung. Man wolle durch diese Neuorganisation „Brüche vermeiden und aus einer Hand durchbehandeln können“, sagt die Ärztliche Direktorin Marianne Klein.

 

Am liebsten ausschließlich freiwillige Behandlungen

Ein Anliegen des neuen Chefs über 261 Klinikbetten, 70 tagesklinische Plätze und 105 Mitarbeiter ist es, die Psychiatrie offener zu gestalten. „Wir wollen so wenig wie möglich Akutpsychiatrie hinter verschlossenen Türen machen“, sagt Karagülle, der in Nürnberg geboren und aufgewachsen ist und jetzt in Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis lebt.

Am liebsten wäre es dem Doktor, dass sich seine Patienten ausschließlich freiwillig in Behandlung begeben, aber manche seien in Extremsituationen leider nicht in der Lage selbst zu beurteilen, was gut und was gefährlich für sie ist. „Unser Ziel ist, solche Patienten so schnell wie möglich aus dieser Situation herauszuholen, damit sie über die weitere Behandlung selbst entscheiden können.“ Oder noch besser: dass sie rechtzeitig Hilfe in Anspruch nehmen, bevor sie in eine solche Extremsituation hinein geraten. Die Entstigmatisierung der Psychiatrie sei deshalb ein wichtiges externes Feld.

Intern sieht der 41-Jährige die Leitung der Kliniken aus einer Hand als Chance, von der Aufnahme bis zur Entlassung einheitlich vorgehen und die Patienten auch auf die Zeit danach gut vorbereiten zu können. Hilfreich sei da, dass auch die Pflegedienste der Kliniken in persona von Anette Blauhorn unter eine einheitliche Leitung gestellt worden seien. Aber auch eine gute Vernetzung mit den anderen „Playern“ sei wichtig, sagt Karagülle und meint damit die niedergelassenen Ärzte, sozialpsychiatrische Dienste und andere ambulante Hilfen.

Mutter-Vater-Kind-Behandlung geplant

Vorangetrieben werden sollen unter dem Chefarzt mit vergrößertem Zuständigkeitsbereich auch bereits unter seinem Vorgänger entwickelte oder angestoßene Projekte, betont die Ärztliche Direktorin Marianne Klein und nennt die gemeindepsychiatrische Versorgung oder das Angebot einer Mutter-Vater-Kind-Behandlung als Beispiele. Auch für junge Erwachsene, die entwicklungsmäßig noch „zwischen den Systemen stehen“, solle ein spezialisiertes Angebot gemacht werden.

Dass er einmal Psychiater werden würde, habe sich im Übrigen erst mit etwas Verzögerung herausgestellt, sagt Deniz Karagülle. Nach seinem Medizinstudium in Erlangen sei er zunächst in der Somatik tätig gewesen. Ein Fall habe ihm da besonders vor Augen geführt, welche Auswirkungen die Psyche auf den Körper eines Menschen haben könne. Bei einer Frau, die schon jahrelang unter Schmerzen gelitten und nur noch gekrümmt habe laufen können, seien keinerlei Ursachen zu finden gewesen – bis sich herausstellte, dass schwere Schicksalsschläge in der Kindheit und Jugend sowie seelische Misshandlungen für ihre körperlichen Symptome verantwortlich waren.

Am Zentrum für Psychiatrie im Schloss Winnenden und an dessen Außenstandorten will der Chefarzt nicht nur diese Erkenntnis im Blick behalten.

„Das ZfP soll ein sicherer Hafen für Patienten sein, in dem man nicht nur parken kann, sondern Unterstützung bekommt, dass man wieder frei segeln kann“, sagt Deniz Karagülle.