Eine Mehrheit der Stadträte will Städtetouristen zur Kasse bitten und mit den Einnahmen die Kulturangebote finanzieren. Zum Wunschtermin der Befürworter wird sich das aber nicht machen lassen.

Stuttgart - Von Mitte 2021 an müssen Städtetouristen in Stuttgart für die Übernachtung höchstwahrscheinlich fünf Prozent mehr bezahlen. Dann wird wohl eine Betten- oder Übernachtungssteuer greifen. Dafür hat nach Informationen unserer Zeitung am Montag in nichtöffentlicher Sitzung eine Mehrheit im städtischen Verwaltungsausschuss die Weichen gestellt: das öko-soziale Lager aus Grünen, SPD und Linksbündnis, dazu die neue Fraktionsgemeinschaft Puls sowie OB Fritz Kuhn (Grüne). Dazu kam es bei der Ersten Lesung des Stadthaushalts 2020/2021. Bei der Dritten Lesung, die am 20. Dezember mit der Verabschiedung des Haushaltsplanes enden soll, wird wohl eine Gemeinderatsmehrheit diesen Grundsatzbeschluss bekräftigen. Mit der Umsetzung wird es, weil die Vorbereitungen aufwendig sind, bis zu anderthalb Jahre dauern. Der Wunschtermin – Anfang 2020 – lässt sich jedenfalls nicht halten. Schon 2011 hatten die Grünen einen Anlauf in dieser Sache unternommen. 2015 warf sich mit einem Antrag auch die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus ins Zeug. Eine Mehrheit hatte es nie gegeben – bis die Grünen und die Nachfolgerriege von SÖS/Linke-plus nun wieder Anträge stellten. Die FDP-Stadträte sympathisierten in den vergangenen Wochen mit den Anträgen der beiden Fraktionen auf eine „Kulturförderabgabe“, falls die Einnahmen im Kulturbudget obendrauf kämen. Am Montag schwenkten die Liberalen wieder um, weil die jetzigen Pläne ihnen doch nicht gefallen.

 

Seit 2011 haben Städte wie Freiburg, Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main dieses Instrument – unter wechselnden Namen – eingeführt. 2015 entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass die Freiburger Satzung über die Übernachtungssteuer rechtmäßig sei. Beim Bundesverfassungsgericht sei aber eine Verfassungsbeschwerde gegen die Freiburger Regelung anhängig, über die wohl im ersten Halbjahr 2020 entschieden werde, so Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU). Auf das Urteil wird Stuttgart aufbauen können, wenn man den Grundsatzbeschluss umsetzt und 2020 eine Satzung entwickelt.

OB Kuhn ist für die Steuer, der Finanzbürgermeister rät ab

Fuhrmann allerdings rät – anders als sein Chef – von der Einführung ab. „Wegen der geringen zu erwartenden Einnahme und des verhältnismäßig großen Verwaltungsaufwands ist die Einführung dieses Steuertatbestands nicht zu empfehlen“, heißt es in seiner Vorlage für die Stadträte. Für die Abwicklung brauche es fünf ständige Mitarbeiter, was 342 000 Euro pro Jahr koste. Dazu kämen Sachkosten von rund 20 000 Euro. Und einmalig müsse man 100 000 Euro in die elektronische Datenverarbeitung investieren. An Einnahmen könne man bei Übernahme des Freiburger Modells mit rund 3,8 Millionen Euro im Jahr rechnen – wenn man annehme, dass etwa 30 Prozent der jährlich vier Millionen Übernachtungen auf Privatreisende entfallen und die Übernachtung im Schnitt 65 Euro kostet. Geschäftsreisende dürfen, wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, nicht mit dieser Steuer belangt werden. Abzuführen sind in Freiburg fünf Prozent vom Nettoübernachtungspreis (ohne Frühstück) – und zwar von Hotels, Gasthöfen, Pensionen, Jugendherbergen und Anbietern von Privatzimmern und Ferienwohnungen. Genau dort, wandten die Kritiker im Stuttgarter Rathaus wie etwa die CDU ein, entstehe ebenfalls großer Arbeitsaufwand.

Dehoga hält gar nichts von diesem Schritt

Markus Hofherr, Vorsitzender des Hotel- und Gastättenverbandes Dehoga in Stuttgart, unterstrich das. „Unseren Betrieben würden hoher bürokratischer Aufwand und ein Standortnachteil entstehen“, sagt er, „da können wir nicht dafür sein“. Zumal die Maßnahme die Privatreisenden treffe, von denen man in Stuttgart künftig mehr sehen möchte. Wenn der OB für diese Steuer sei, schädige er erneut das Image der Stadt bei Reisenden, nachdem er das schon mit dem Feinstaubalarm bewirkt habe. Andreas Scharf, Sprecher von OB Kuhn, wollte am Dienstag nicht bestätigen, dass Kuhn am Montag für die Steuer gestimmt habe. „Der OB kommentiert nichtöffentliche Sitzungen nicht. Seit langem ist aber bekannt, dass er eine Übernachtungssteuer zur Finanzierung von Kulturprojekten für überlegenswert hält; damit stünde Stuttgart ja auch nicht allein da“, sagte Scharf unserer Zeitung.

Weniger Ablehnung als vom Dehoga kommt von Armin Dellnitz, Chef der Stuttgart-Marketing GmbH. So eine Steuer sei heute „kein ungewöhnlicher Weg mehr“, sagt Dellnitz. Grundsätzlich sei nichts dagegen einzuwenden. Die Verwendung der Einnahmen müsse aber nachvollziehbar sein. Zumindest ein Teil müsse ins Stadtmarketing fließen, ein anderer Teil am besten in Kulturangebote. Dadurch kämen die Gelder wieder der Hotellerie und ganz generell auch der Profilbildung des Tourismusstandortes Stuttgart zugute. Die Hotellerie, die bisher schon freiwillige Zuschüsse leiste, müsse eingebunden werden.

Die Antragsteller sprechen auch von einer Kulturförderabgabe. Sie solle dazu beitragen, dass das herausragende kulturelle Angebot Stuttgarts „auch zukünftig hochkarätig ist“, formulierten die Grünen.