Der Zirkus Charles Knie gastiert auf dem Flugfeld. Proteste von Tierschützern begleiten ihn auf so gut wie jeder Station.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Gleich, wohin das fahrende Volk tingelt, der Protest reist voraus. Sofern ein Zirkus Tiere in der Manege auftreten lässt, gehören Schmähungen seitens der Tierschützer zum Programm. Der Zirkus Charles Knie ist keine Ausnahme, im Gegenteil. „Charles Knie – Tierquälerei für ihr Vergnügen“ ist auf einem selbstredend gefälschten Werbeplakat zu lesen. Die echten werden heruntergerissen oder überklebt mit Papierstreifen. „Abgesagt wegen Tierquälerei“ ist darauf zu lesen.

 

Für vier Tage gastiert Charles Knie derzeit auf dem Flugfeld. Die Sachbeschädigungen „kosten uns einige tausend Euro im Jahr“, sagt der Pressesprecher Patrick Adolph. Bemerkenswert an den allgegenwärtigen Begleiterscheinungen ist beim Böblinger Gastspiel, dass die Verteidigung noch vor der Anklage stand. „Es hat sie bereits, wie es scheint, eine Mail von Peta erreicht.“ So beginnt eine Mail von Adolph.

Tierschützer und Zirkus verschicken Standard-Mitteilungen

Üblicherweise verschickt die Tierschutzorganisation Peta Standard-Mitteilungen an Lokalredaktionen, in denen nur der Name der Städte getauscht wird. Dann verschickt Adolph seine Standard-Mitteilung, in der ebenfalls nur der Name der Städte getauscht wird. „Stellungnahme zur Pressemeldung der fanatischen Tierrechtsorganisation“ ist sie überschrieben. Aber für das Gastspiel in Böblingen hat Peta den Protest wohl vergessen.

Aus amtlicher Sicht ist beglaubigt, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und sich wohlfühlen. Veterinäre der Landratsämter sind verpflichtet, die Zirkusse zu überprüfen. Charles Knie wurde in diesem Monat bereits zweimal kontrolliert, weshalb die Böblinger Behörde auf eine Kontrolle verzichtete. Deren Termine und Ergebnisse sind zentral erfasst. „Dieses Mal haben wir keine Notwendigkeit gesehen“, sagt Dusan Minic, der Pressesprecher des Landratsamts. Im vergangenen Jahr wurde Charles Knie in Böblingen überprüft. Mit dem Ergebnis: keine Beanstandungen.

Was die Tierschützer selbstredend anders sehen. Sie kämpfen für ein generelles Verbot von Tiernummern. Peta führt für jeden Zirkus eine Art Statistik, in der tatsächliche oder angebliche Verfehlungen aufgelistet sind. Juristisch greifbar ist im Fall Knie nur, dass in Darmstadt Elefanten zu lange in einem Transporter standen. Festgestellt hatte diese Verfehlung ein Darmstädter Amtsveterinär. Sie kostete 150 Euro Bußgeld. Grundsätzlich greift Peta zu drastischeren Mitteln. Dazu zählt ein Video mit Sequenzen, in denen Dompteure fraglos Tiere prügeln und quälen. Wann und wo die Aufnahmen entstanden, verschweigt die Organisation. „Wenn Du in einen Zirkus mit Tieren gehst, unterstützt Du Tierquälerei“, ist im Abspann zu lesen.

Zwergschweine sind die Publikumslieblinge

Auf der Wiese neben der Flugfeldallee grasen Pferde. Die Publikumslieblinge sind die Zwergschweine in ihrem Gehege, das genauso für jeden Spaziergänger einsehbar ist wie alle anderen. Es ist der Tag der Premierenvorstellung in Böblingen. Er bleibt protestfrei. In anderen Städten werden die Zirkusleute von Demonstranten empfangen. Gelegentlich werde auch das Publikum vor der Kasse beschimpft, erzählt Adolph.

Die Stadt Stuttgart zählt zu denjenigen, die sich der Meinung der Tierschützer angeschlossen haben, zumindest teilweise. Der Gemeinderat hat Anfang des Jahres beschlossen, künftig keine Fläche mehr an Zirkusse zu vermieten, die mit Wildtieren wie Raubkatzen oder Elefanten touren. Ähnliches gilt in knapp 80 anderen Kommunen von Ahaus bis Würselen. Allerdings ist umstritten, ob solche Beschlüsse rechtmäßig sind. Der Verband der Zirkusunternehmen klagt gegen einige von ihnen.

In Böblingen „ereilt uns die Frage alle Jahre wieder“, sagt der städtische Pressesprecher Wolfgang Pfeiffer. Im Rathaus ist das Thema diskutiert, aber nicht dem Gemeinderat vorgelegt worden. „Nach Rücksprache mit dem Landkreis gab es für uns keinen Handlungsbedarf“, sagt Pfeiffer. In Sindelfingen waren Tiere im Zirkus „im Gemeinderat nie ein Thema“, sagt die Pressesprecherin Nadine Izquierdo. Schließlich regle den Tierschutz das Landesrecht.