Jason ist in Merklingen eingeschult worden – für drei Wochen. Denn er wächst in einem Zirkus auf.

Weil der Stadt - Der Ranzen gepackt, die Schultüte geschultert: Für viele Erstklässler hat der Ernst des Lebens begonnen. Einer von ihnen ist der sechsjährige Jason. In der Merklinger Würmtalschule feierte er seine Einschulung. Doch Jason muss seine neue Schule im Oktober wieder verlassen: Er ist Teil des Zirkus „Frankordi“, der zurzeit in Merklingen gastiert.

 

„Wir sind ein Familienbetrieb, der seine Anfänge im Jahr 1812 in Schwerin hat“, erzählt Vater Ricardo Frank, der die Tradition in der achten Generation weiterführt. Er und seine Frau leiten den Zirkus zu zweit. Bei den Vorstellungen dürfen aber auch Jason und seine dreijährige Schwester mitwirken. „Ich bin der Clown Banane!“, sagt Jason stolz. „Wenn der Clown klein ist, dann haben die kleinen Kinder nämlich keine Angst!“

Er kann jedoch auch Handstände und würde am liebsten eine eigene Artisten-Nummer aufführen. „Wenn er im Radio das Lied ,Legendary’ hört, dann versucht er immer, mich zu überreden, eine Handstand-Choreografie auf diesen Song einzustudieren“, sagt der Vater und lacht. Jasons Lieblingstiere sind die Pferde. Vor allem sein eigenes – das heißt Arthus. Neben Pferden hat die Familie Frank aber auch Hunde, Ziegen, Enten, Schweine und Schafe.

„Zirkus ohne Tiere – das wäre für mich wie eine Familie ohne Kinder“, meint Zirkusdirektor Frank. Er selbst ist im Zirkus aufgewachsen und kennt mittlerweile jede Ecke Deutschlands. „Bei mir war es wirklich schwierig. Ich musste jede Woche in eine neue Schule wechseln“, erinnert sich der zweifache Vater. Damals hatten viele Zirkuskinder später Probleme mit dem Schulabschluss. Heute hätte sich da jedoch viel geändert, meint Ricardo Frank.

Der spannende Beruf von Michael Widmann

Der Grund dafür sind Menschen wie Michael Widmann aus dem Nordschwarzwald. Kinder von beruflich Reisenden unterstützen – genau das ist seine tägliche Aufgabe. Er ist sogenannter „Bereichslehrer für Schausteller- und Zirkuskinder“, von denen es in Baden-Württemberg zwölf gibt. Widmann betreut Jason schon seit zwei Jahren und hat ihn auf seine Grundschulzeit vorbereitet. „Viele der Zirkuskinder gehen nicht in den Kindergarten. Deswegen ist es besonders wichtig, dass sie in einer Art Vorschule auf das Lernen vorbereitet werden“, erklärt der Pädagoge. Gerade beim Umgang mit Zahlen und bei feinmotorischen Tätigkeiten wie Basteln hätten Kinder sonst Schwierigkeiten, weil diese im normalen Alltag nicht gefördert würden. „Während der Schulzeit dann begleiten wir die Kinder vormittags mit ergänzendem Unterricht und besuchen sie auch ein paar Mal die Woche zu Hause.“ Michael Widmann findet es vor allem wichtig, eine Kontinuität des Lernens herzustellen.

Da ein Zirkus nie lange an einem Ort bleibt und somit auch die Bereichslehrer nur ein räumlich begrenztes Gebiet abdecken können, sind die verschiedenen Bundesländer immer miteinander in Kontakt. „Wenn die Familie Frank nach Hessen ziehen würde, dann rufe ich einfach meinen Kollegen dort an, und der übernimmt Jason“, erklärt Widmann.

Er war schon vier Jahre beim Zirkus Krone als Lehrer tätig und weiß, wie wichtig ein gelungener Schulabschluss auch für Zirkuskinder sein kann. „Es ist einfach sehr erfüllend, weil man bei einem einzelnen Kind ganz viel erreichen kann.“ Bei Jason hätte das bisher wirklich gut geklappt, meint er. Der geht von dieser Woche an zwar regulär in die Würmtalschule in Merklingen. Widmann kommt nur noch ab und zu beim Zirkus Frankordi vorbei, um ihm währenddessen Nachhilfe zu geben und mit ihm zu lernen.

Doch Jason denkt im Moment noch nicht viel über die Schule nach. „Später will ich mal Pferde dressieren“, verrät der kleine Clown. Wenn er groß ist, werde er Zirkusdirektor und führe das Familienunternehmen in der neunten Generation weiter – da ist er sich ganz sicher.

Die Vorstellungen:

Von Donnerstag, 21. September, bis Sonntag, 1. Oktober, macht der Zirkus Frankordi Station in Merklingen. Die Vorstellungen finden donnerstags, freitags und samstags jeweils um 16 Uhr und sonntags um 11 Uhr statt. Das Zirkuszelt in Merklingen steht gegenüber vom Bauhof, neben dem alten Friedhof (Mittlere Straße). Kinder dürfen die Tiere auch an den vorstellungsfreien Tagen besuchen.