In der Notunterkunft am Spechtweg hat ein Zirkusprojekt begonnen. Mitmachen ist noch möglich: Das Angebot richtet sich an geflüchtete und an schon länger hier lebende Kinder und Jugendliche. Trainiert wird immer mittwochs.
Weilimdorf - Mittwoch, 18 Uhr: In der Notunterkunft am Spechtweg spielen sich spektakuläre Szenen ab. Menschen stapeln sich meterhoch, junge Frauen und Männer fliegen durch die Luft. Doch die Lage ist absolut unter Kontrolle: Beim Auftakt zum Projekt „Manege der Kulturen“ zeigen gut zwölf Artisten und Jongleure in der Sporthalle des Solitude-Gymnasiums ihr Können. Die dort derzeit untergebrachten Kinder und ihre Eltern schauen begeistert zu – und dürfen anschließend gemeinsam mit Weilimdorfer Mädchen und Buben selbst aktiv werden.
Das Projekt zielt darauf ab, den Flüchtlingskindern Lebensfreude und eine gesunde Körpererfahrung zu vermitteln und sie darüber hinaus mit Kindern und Jugendlichen aus Weilimdorf in Kontakt zu bringen. Die Idee dazu hatte Dominik Langenbeck von der Artistengruppe Variatistic. Bislang habe er noch nichts mit der Flüchtlingsarbeit zu tun gehabt, erzählt er, doch als diese immer mehr zum Thema wurde, habe er auch etwas machen wollen. „Und das, was ich am besten kann, ist Zirkus,“ sagt Langenbeck. Gemeinsam mit seinem Kompagnon Timon Schilling hat er daraufhin die Manege der Kulturen ins Leben gerufen, getragen wird das Projekt vom Verein Circus Calibastra. Der ist eng mit der Michael-Bauer-Schule, einer Waldorfschule in Stuttgart-Vaihingen, verbunden und macht seit 30 Jahren Zirkusarbeit mit Jugendlichen. „So ein Projekt haben wir bisher aber auch noch nicht gemacht“, erklärt Thilo Rose, der Vorsitzende des Vereins.
Im Herbst soll es eine große Aufführung geben
Auch für den Sprecher des Weilimdorfer Flüchtlingskreises Werner Bossert ist die Zirkusarbeit Neuland: „Ich war selber unsicher, aber jetzt bin ich ganz begeistert, wie es ankommt.“ Die Buben und Mädchen in der Notunterkunft lassen sich nicht lange bitten, als sie nach der Vorführung selbst balancieren und jonglieren sollen; auf den Turnmatten herrscht ebenso großer Andrang wie an den Balance-Brettern und -Kugeln. „Die Kugeln sind für den Einstieg ganz gut, das ist etwas, was man schnell lernt“, sagt Elena Rochard. Die Sozialpädagogin ist beruflich in einer Wohngruppe für minderjährige Flüchtlingen tätig und hat die pädagogische Leitung des Projekts übernommen. Unter anderem bereitet sie die Trainer auf das Training mit Sprachbarriere vor.
Der Fokus des Projekts liege darauf, die Kinder viel erleben zu lassen, ob beim Jonglieren, bei der Artistik in der Luft oder auch beim Einradfahren, erklärt Timon Schilling. „Wir sind schon darauf aus, regelmäßig mit den gleichen Leuten zu arbeiten“, sagt er. Drei Stunden wöchentlich werde trainiert, in zwei Gruppen jeweils anderthalb Stunden. Es können gerne noch Kinder und Jugendliche aus Weilimdorf dazustoßen, sagt Schilling, in jeder Gruppe trainieren etwa 15 bis 20 Nachwuchsartisten zusammen. „Unser Ziel ist, im Herbst mit beiden Gruppen eine große Aufführung zu machen“, sagt der 26-Jährige.
Der Flüchtlingskreis unterstützt das Mitmach-Angebot
Angedacht sei dafür, im Oktober in die Lindenbachhalle zu gehen, erklärt Werner Bossert. Ihm gefällt der Ansatz, den die Initiatoren des Projekts verfolgen: „Das passt zum Konzept des Flüchtlingskreises. Es geht nicht darum, die Leute zu bespaßen, sondern darum, dass wir Angebote machen, bei denen die Leute selbst aktiv werden können.“ Dabei sei es nicht das Ziel, Artisten auszubilden, sondern die vielfältigen Potenziale der Mädchen und Buben, die in den Weilimdorfer Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, anzusprechen. Unter den rund 720 geflüchteten Menschen, die derzeit in Weilimdorf leben, seien ungefähr 200 bis 240 Minderjährige, schätzt Bossert.
Er betont, dass regelmäßig mittwochs trainiert wird: Das nächste Mal am kommenden Mittwoch, 16. März, von 18.30 Uhr an in der Sporthalle am Spechtweg 40. Für die Zeit nach den Osterferien wird aber ein anderer Raum fürs Training gesucht. Dieser sollte mindestens vier Meter hoch sein, Platz für die Geräte bieten und einigermaßen gut erreichbar sein, sagt Bossert.
Info: Der Flüchtlingskreis
kommt am Mittwoch, 16. März, das nächste Mal zusammen. Zu dem Treffen im Dietrich-Bonhoeffer-Gemeindezentrum , Wormser Straße 23, ist die gesamte Bevölkerung eingeladen. Beginn ist um 18.30 Uhr, Einlass bereits ab 18.15 Uhr.