Das Projekt Grundrente ist im Koalitionsvertrag fest vereinbart, trotzdem gibt es deswegen Zoff zwischen Union und SPD. Einen Durchbruch hat auch eine stundenlange Sitzung bis Mitternacht nicht gebracht. Hilft ein Kompromissvorschlag der Union weiter?

Berlin - Nach einer sechsstündigen Nachtsitzung des Koalitionsausschusses hofft CSU-Chef Markus Söder auf eine baldige Einigung mit der SPD im Streit über die geplante Grundrente. „Nichts geht ohne eine Bedürftigkeitsprüfung. Aber mit einer Gerechtigkeitsprüfung kann eine Menge gehen“, sagte der bayerische Regierungschef am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Gemeint sind etwa höhere Freibeträge und eine Verschonung von selbst genutzten Häusern bei der Rentenberechnung. Damit könne es auch eine schnelle, finanzierbare Lösung ohne Steuererhöhung geben, sagte Söder. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht dagegen noch keine Annäherung.

 

Heil will bei der Grundrente bislang auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten. Sein Plan sieht so aus: Wer mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, soll mehr Rente bekommen als der, der nie gearbeitet hat. Auch Teilzeitarbeit sowie Kindererziehungs- und Pflegezeiten zählen mit. Wer nach mindestens 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro Rente hat, bekäme einen Zuschlag, und zwar bis zu 447 Euro monatlich. Das kann rund fünf Milliarden Euro im Jahr kosten.

Ball liegt bei Heil

Die Union kritisiert vor allem, dass der tatsächliche Bedarf nicht geprüft werden soll. Wer etwa mit einem Partner zusammenlebt, der eine hohe Rente bekommt, würde trotzdem profitieren.

Für die Union sei die Prüfung der Bedürftigkeit eine „Frage der Gerechtigkeit“, zudem sei sie im Koalitionsvertrag vereinbart, sagte Kramp-Karrenbauer am Donnerstag dem Sender Welt. Die SPD-Seite habe noch mal das Konzept von Arbeitsminister Hubertus Heil vorgestellt, das keine solche Prüfung vorsehe. „Insofern haben wir da die Positionen ausgetauscht, sind uns in der Frage aber noch nicht näher gekommen.“ Es sei nun an Heil, seine Pläne zu konkretisieren. Was Bedürftigkeitsprüfung genau bedeute, darüber könne man reden. Ganz ohne werde eine Einigung „eher schwer“.

So soll es finanziert werden

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, wies die Kritik zurück. „Das ist locker machbar“, sagte der Sozialdemokrat im ZDF-„Morgenmagazin“ zu den Kosten. Der Betrag von fünf bis sechs Milliarden Euro jährlich solle nicht aus Steuererhöhungen, sondern „aus allgemeinen Steuermitteln“ finanziert werden. Entscheidend sei, wofür die Koalition Geld ausgeben wolle.

Die Koalitionsrunde habe sich intensiv über die Grundrente ausgetauscht, sagte Söder. Als weitere Themen nannte er den Kohleausstieg und die Energiepolitik sowie das Thema Zukunft der Automobilindustrie. Ausdrücklich lobte Söder das Treffen als „sehr konstruktive, positive Erfahrung“. Die Koalition wolle nicht in einer „Endlos-Wahlkampfschleife“ arbeiten.

Nächste Sitzung in vier Wochen

Konkrete Ergebnisse wurden nach dem Ende der Gespräche gegen Mitternacht zunächst nicht bekannt. Schon in vier Wochen, am 14. März, will sich der Koalitionsausschuss zur nächsten Sitzung treffen. Mit regelmäßigeren Treffen soll nach dem holperigen Start in die Regierungsperiode von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Eindruck zerstreut werden, die Koalition arbeite dauernd im Krisenmodus.

Die Regierungspartner wollen so vor der Europawahl Ende Mai und den schwierigen Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im Spätsommer und Herbst auch in den Umfragen Boden gut machen. Die SPD liegt dort bei 14 bis 17 Prozent, die Union bei 28 bis 32.

Attacke von Söder

Söder war in seine erste Sitzung der Koalitionsspitzen mit einer Attacke auf die Pläne der SPD für Sozialreformen gestartet. „Sozialausgaben steigern und gleichzeitig Steuern erhöhen? Das ist eine toxische Kombination“, sagte er vor dem Treffen dem „Spiegel“. Den SPD-Vorstoß für eine Grundrente ohne Prüfung der Bedürftigkeit wies er strikt zurück.

Heil hatte seine Rentenpläne verteidigt. Den Befürwortern einer Bedürftigkeitsprüfung warf Heil in der „Augsburger Allgemeinen“ vor, darauf zu setzen, „dass viele, die ein Recht auf Grundrente hätten, sich von einer solchen Prüfung abschrecken lassen würden und sie aus Scham deswegen nicht beantragen“.

Union und SPD hatten jüngst versucht, sich voneinander abzugrenzen. Für Aufsehen sorgte, dass die CDU anders als die SPD einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik („Humanität und Härte“) einschlagen will. Die SPD war zuvor mit sozialpolitischen Vorstößen zur Überwindung von Hartz IV in seiner heutigen Form auf Anti-Union-Kurs gegangen.