Die Zombies haben in den USA das Fernsehen gestürmt: „The Walking Dead“ über ein im Chaos versunkenes Land ist nun auf DVD erhältlich.

Stuttgart - Noch vor wenigen Jahren hätte man sich solche Fernsehstars nicht vorstellen können: lebende Leichname, die sich durch die Straßen schleppen, zerfetzte Körperreste, die sich mit der letzten funktionsfähigen Hand voranzerren, um einen lebenden Menschen zu beißen. Mittlerweile aber gehört die Zombie-Apokalypse, das Ausgelöschtwerden der Zivilisation durch eine Seuche, zu den großen Attraktionen des US-Fernsehens.

 

Die Serie "The Walking Dead", deren erste, nur sechs Folgen umfassende Staffel seit Mittwoch auch in Deutschland auf DVD erhältlich ist, wird dabei zur Avantgarde der Serienformate gezählt. Auch sie wartet mit großen erzählerischen Bögen, sorgfältiger Charaktergestaltung und differenzierten Problemdarstellungen auf.

"The Walking Dead" basiert lose auf einer 2003 begonnenen Comicreihe des Autors Robert Kirkman, die als Musterbeispiel der neuen Zombie-Erzählungen gilt. Im Gegensatz zu den vornehmen, in bürgerliche Mädchenträume integrierbaren Vampiren haben die Zombies in den vergangenen Jahren kollektive Ängste ebenso wie anarchische Sehnsüchte ungezügelt ausformuliert. Darin drückt sich das Unbehagen aus, unsere Zivilisation könnte auf höchst wackligen Füßen stehen: In "The Walking Dead" fegt ein Virus durch die USA, der Menschen erst umbringt und dann das Kleinhirn übernimmt, um den Körper als obszöne Marionette zu nutzen. Und eine kleine Gruppe Überlebender im Süden der USA weiß nicht, ob sie die letzten Menschen sind oder nur ein versprengter Haufen hinter den Linien der Zombies.

Vision eines kaputten Amerika

So drastisch viele Szenen sind: es geht in "The Walking Dead" nicht um eine Aneinanderreihung von Schockeffekten. Im Zentrum steht der Blick auf die Brüchigkeit des Gewohnten - und diese Vision eines kaputten Amerika scheint viele anzusprechen. Schlagzeilen hat die Serie aber nicht nur mit hohen Einschaltquoten gemacht, sondern auch mit einem veritablen Krach unter ihren Machern.

Der zentrale Begriff des neuen Qualitätsfernsehens lautet Showrunner. Bei diesem Kreativmenschen laufen alle Fäden zusammen. Er, nicht das Sendermanagement, trifft die wichtigen Entscheidungen. David Simon war der Schöpfer von "The Wire", Matthew Weiner lenkt "Mad Men", J.J. Abrams bestimmt "Lost" - und bei "The Walking Dead" ist nun erstmals einer der viel gepriesenen Showrunner zum Entsetzen von Fans und Branche gefeuert worden, der Hollywoodregisseur Frank Darabont ("The Shawshank Redemption"). Über die genauen Umstände des Rauswurfs zu Beginn der Produktion der zweiten Staffel herrscht Stillschweigen. Der Sender AMC, das kolportiert die Branchenpresse, habe alle Beteiligten massiv eingeschüchtert.

AMC war früher ein bedeutungsloser Dutzendsender, der alte Filme und Serien recycelte. Der unerwartete Aufbruch in die Welt des Qualitätsfernsehens aber produzierte dann Kritikerhit um Kritikerhit, "Mad Men", "Breaking Bad" und eben "The Walking Dead" - und just diese Serie war die erste, die neben Reputation auch große Zuschauerzahlen brachte.

Vom alten Denken nie gelöst

Das Management von ACM, heißt es in der Branche, habe sich vom alten Denken nie gelöst. Unmutig hätten die Bosse zur Kenntnis genommen, dass viele Befugnisse nicht mehr bei ihnen lagen. Sie setzten ihre Showrunner unter Druck und wollten zwecks Profiterhöhung die Budgets kürzen. Mit Matthew Weiner von "Mad Men" und Vince Gilligan von "Breaking Bad" hat man sich geeinigt, mit Frank Darabont offensichtlich nicht. Die erste Staffel von "The Walking Dead" sei mit einem nicht finanzierbaren Aufwand produziert worden, den Darabont von seinen Spielfilmen gewohnt sei, sickerte aus den Chefbüros vom AMC durch.

In den USA wartet man nun neugierig darauf, wie sich die zweite Staffel von "The Walking Dead" entwickeln und was sie gekostet haben wird. Das ist für alle Showrunner von Interesse: es geht um ihre Freiheiten, ihre Gagen und ihren neuen Mythos.

The Walking Dead - Staffel 1 WVG DVD/Blu-ray. 282 Minuten. Etwa 17/23 Euro.