Zahlreiche Beamte in Baden-Württemberg arbeiten freiwillig länger, darunter viele Polizisten. Auch finanzielle Anreize sorgen dafür, dass sie ihren Ruhestand verschieben.

Stuttgart - An die Pension denkt Joachim Stark noch nicht so richtig. „Ich bin skeptisch, ob ich dafür schon bereit bin“, sagt der 61 Jahre alte Polizist. Er könnte bereits seit Juli 2017 im Ruhestand sein. Doch der Gedanke, sich nur noch mit dem Thema Urlaub zu befassen und was er in seiner Freizeit macht, begeistert ihn wenig. So leitet Stark weiterhin eine Polizeistation in Stuttgart und arbeitet gerne freiwillig länger. Täglich ermittelt er mit seinen Kollegen vor allem in Fällen von Alltagskriminalität - Diebstahl, kleinere Rauschgiftdelikten, häusliche Gewalt oder auch Schlägereien.

 

Alleine im baden-württembergischen Polizeidienst arbeiten rund 550 Beamte über die gesetzliche Altersgrenze hinaus, wie ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart sagt. Dafür gibt es für die allermeisten einen Zuschlag. Im Durchschnitt über alle Laufbahngruppen hinweg betrachtet, liege dieser Zulagenbetrag im Schnitt bei rund 400 Euro brutto pro Monat. Ein Grund dafür, dass Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf eine freiwillige Verlängerung der Dienstzeit setzt, ist unter anderem die anstehende Pensionswelle. Alleine in diesem Jahr werden etwa 1070 Beamte im Südwesten in den Ruhestand gehen oder vorzeitig ausscheiden.

Verfehlte Einstellungspolitik unter Grün-Rot

„Wir sind dringend darauf angewiesen, dass Beamte freiwillig länger machen“, sagt Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Unter der grün-roten Vorgängerregierung habe es eine verfehlte Einstellungspolitik gegeben. Die Polizisten seien noch stärker belastet als früher. Es kämen nicht schnell genug junge Kollegen nach, so der Gewerkschaftsvertreter.

In den Jahren 2018 und 2019 sollen im Südwesten jeweils 1800 junge Leute ihre Ausbildung bei der Polizei starten. 2017 waren es 1400 Männer und Frauen. Wegen der Terroranschläge in der Vergangenheit wurden die Einstellungszahlen erhöht.

Innenminister Strobl sagt, der Stellenpool für freiwillige Arbeitszeitverlängerungen schaffe einen Anreiz, damit der Polizei erfahrene Beamte länger erhalten blieben. „Der Erfolg polizeilicher Arbeit beruht, wie bei kaum einem anderen Beruf, auf Erfahrung und einer guten Spürnase.“ Eine gewisse Routine ist auch bei der Arbeit von Stark notwendig. Er war 19 Jahre im Streifendienst tätig. Da hätte er sich nur schwer vorstellen können, noch eine gewisse Zeit länger dran zu hängen. „Da ist man einer ganz anderen Belastung ausgesetzt.“ Nun sei es aber in Ordnung, länger zu bleiben.

Mit 62 Jahren in Ruhestand

Stark kam relativ spät zur Polizei. Er machte zunächst eine Ausbildung als Kraftfahrzeug-Schlosser, holte dann das Abitur nach und wählte erst im Alter von 23 Jahren seinen heutigen Beruf. Im Zuge der Dienstrechtsreform gehört er schon zu denjenigen, für den sich das Alter zum Eintritt in den Ruhestand nach hinten verschob. Es wird für die Beamten schrittweise angehoben. Im Jahr 2029 beträgt es im Polizeivollzugsdienst dann 62 Jahre.

Für den Ersten Polizeihauptkommissar Stark steht sein Zeitpunkt für die Pension nun fest. Ende April 2019. Dann höre er auf, im Alter von 62 Jahren. Und widme sich dann den Themen Urlaub und Freizeit.