Der Landesrechnungshof nimmt Bilkay Öneys Integrationsministerium aufs Korn. Es sei zu klein, um seine Aufgaben effizient erledigen zu können. Die SPD wittert finstere parteipolitische Absichten.

Stuttgart - Der Landesrechnungshof hält das 2011 von Grün-Rot neu geschaffene Integrationsministerium in seiner gegenwärtigen Form für wenig zielführend. Es sei zu klein, benötige unverhältnismäßig viel Personal für die eigene Verwaltung, verfüge zugleich aber über zu wenig Leute, um auf neue Aufgaben wie den stark angestiegenen Flüchtlingszustrom reagieren zu können. Außerdem ermangele es einer nachvollziehbaren Konzeption für Förderprojekte. „Bis heute fehlt eine Übersicht über die Integrationsprojekte im Land und deren Träger und dadurch auch der Überblick, was von wem erledigt und was in welcher Höhe mit staatlichen Mitteln gefördert wurde“, schreiben die Rechnungsprüfern in dem vorab veröffentlichen Kapitel aus der Denkschrift 2015, die in zwei Wochen vorgestellt werden soll.

 

Der Anlass für die Vorabveröffentlichung war eine von der FDP initiierte Landtagsdebatte unter dem Titel: „Das Integrationsministerium im Visier des Rechnungshofs“. SPD-Landeschef Nils Schmid, zugleich Finanz- und Wirtschaftsminister, warf der Behörde vor, sie lasse sich „von der Opposition zu parteipolitischen Zwecken instrumentalisieren“. Dies widerspreche Auftrag und Tradition des Rechnungshofs.

Schmid: Ureigene Entscheidung der Politik

Der Verdacht, dass sich der Landesrechnungshof von der Opposition einspannen lasse, kursiert in der SPD schon länger. Schon bei Beginn der Prüfung Mitte 2013 soll die zuständige Direktorin Ria Taxis eine Interviewäußerung von Ministerin Bilkay Öney (SPD) beanstandet haben, die Integrationspolitik müsse die gesamte Gesellschaft im Auge haben.

Derlei politische Bewertungen, konterte Öney in einer Mail an die SPD-Landesspitze, stünden dem Rechnungshof aber gar nicht zu. Die Ministerin berichtete in der Mail außerdem, der Rechnungshof plane, am Ende der Legislaturperiode eine Organisationsanalyse verschiedener Ministerien vorzulegen. Der Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl sei laut Direktorin Taxis mit Bedacht gewählt, „um besser gehört zu werden“. Die SPD-Spitze erkennt hinter solchen Plänen eine Verletzung der Neutralitätspflicht – und die lenkende Hand des Rechnungshofpräsidenten Max Mundig (CDU), der einst die Grundsatzabteilung im Staatsministerium leitete. Minister Schmid sagte am Rand der Landtagsdebatte: „Der Zuschnitt der Ministerien ist die ureigene Entscheidung der Politik.“

FDP verteidigt die Rechnungsprüfer

In der Debatte nahm der FDP-Abgeordnete Andreas Glück die Rechnungsprüfer in Schutz. Oft genug habe sich die Kritik des Rechnungshofs gegen die Vorgängerregierung gerichtet. „Ich möchte an den EnBW-Untersuchungsausschuss erinnern.“ Inhaltlich fühle sich die FDP in ihrer Kritik an einem eigenständigen Integrationsministerium voll bestätigt. Eine „schallende Ohrfeige“ habe sich die Ministerin eingefangen. Nur jeder Zweite in dem Ressort arbeite inhaltlich, der Rest beschäftige sich damit, den eigenen Apparat zu organisieren. Die Konstruktion des Ministeriums verursache einen jährlichen Mehraufwand von drei Millionen Euro. Glück erinnerte an das Stabsstellenmodell der alten Landesregierung. Von 1996 bis 2011 kümmerte sich eine Stabsstelle beim FDP-geführten Justizministerium um die Integrationspolitik im Land.

Dem hielt die SPD-Abgeordnete Rosa Grünstein entgegen, dass ein Stabsstellenleiter aus dem Justizressort derzeit bei der Akquise von Flüchtlingsunterkünften kaum eine vergleichbare Durchschlagskraft entwickeln könne wie jetzt die Ministerin Öney oder deren Amtschef Wolf Hammann. Der CDU-Abgeordnete Bernhard Lasotta monierte, dem Ministerium fehlten wichtige Zuständigkeiten, es bestehe ein „Nebeneinander verschiedener Ressortpolitiken“. Dagegen sagte der Grünen-Abgeordnete Daniel Lede Abal, das Integrationsministerium nehme in seinem Aufgabenbereich eine führende Rolle ein.

Und Ministerin Öney? Sie kann sich – wen wundert es – gut vorstellen, ihr Ressort mit zusätzlichen Zuständigkeiten aufzuwerten, also Integrationsaufgaben über die Migranten hinaus zu übernehmen. Inzwischen ist sie auch nicht mehr abgeneigt, den Bereich Aufenthaltsrecht aus dem Innenministerium in das Integrationsressort zu transferieren. Dann wäre sie auch für Abschiebungen zuständig. Aber auch so habe ihr „kleines Haus viel bewirkt.“ 59 Personalstellen umfasst das Ministerium.

In der Debatte sagte Öney, die Kritiker neigten zur „Überbetonung der Kostenseite“. Mit Blick auf die stetig steigenden Flüchtlingszahlen kommt sie zu dem Schluss: „Gäbe es das Integrationsministerium nicht, so müsste man es spätestens jetzt erfinden.“

Die Vorschläge des Rechnungshofs

Die Rechnungsprüfer haben vier Alternativen zum Integrationsministerium in seinem derzeitigen Zuschnitt vorgelegt. Sie halten es für denkbar, das Ressort zu stärken, indem es von anderen Ministerien Zuständigkeiten aus dem Bereich der Flüchtlings- und Integrationspolitik erhält. Das Gegenmodell dazu wäre, das Integrationsministerium in ein größeres Ressort einzugliedern. Außerdem halten es die Rechnungsprüfer für bedenkenswert, das Integrationsministerium zwar so zu lassen, wie es ist, dafür aber seine Steuerungsfunktion innerhalb der Regierung zu stärken. Etwa mit einem Kabinettsausschuss. Als beste Lösung erachtet es der Rechnungshof aber, eine Stabsstelle Integration im Staatsministerium zu etablieren – mit einer Ministerin an der Spitze.