Städte und Gemeinden im Land bekommen verstärkt die Schattenseite des Baubooms zu spüren: Immer höhere Baukosten und fehlende Angebote erschweren die Arbeit. Hinzu kommen Personalengpässe in der Bauverwaltung. Ein Fallbeispiel.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Eigentlich war im Vorfeld schon alles besprochen gewesen. Der historische Teil der Esslinger Pliensaubrücke muss sehr bald saniert werden. Daran zweifelt niemand. Und insofern hätte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung nur noch den Startschuss für die Arbeiten geben sollen. Doch überraschend nahm der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD) den Punkt kurzfristig und ohne weitere Erklärung von der Tagesordnung. Mittlerweile ist der Grund durchgesickert: Die Sanierung der Brücke wäre deutlich teurer geworden als zunächst gedacht. Nun ist sie vorerst einmal gestoppt.

 

Wie alle anderen Städte und Gemeinden in der Region spürt auch Esslingen immer deutlicher die negativen Folgen des anhaltenden Wirtschaftsbooms. Alle Kommunen besitzen momentan so viel Geld, dass sie in finanzschwächeren Jahren verschobene Baumaßnahmen nun verwirklichen können. Das hat Konsequenzen: Zum einen wird es immer schwerer, Handwerker und Bauunternehmen zu finden, die überhaupt bereit sind, Angebote zu unterbreiten, weil ihre Auftragsbücher prall gefüllt sind. Zum anderen nutzen zumindest manche Firmen diese prekäre Marktlage aus – und drehen kräftig an der Preisschraube.

Zwei Angebote auf europaweite Ausschreibung

Ein besonders drastisches Beispiel ist die Sanierung der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Pliensaubrücke. Der Esslinger Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht erzählt, dass sich auf die europaweite Ausschreibung hin überhaupt nur zwei Unternehmen für diese Arbeiten beworben hätten. Bei der internen Kostenberechnung für den Bauentwurf seien die Fachleute der Stadt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sanierung der Brücke 1,4 Millionen Euro kosten dürfe. Der günstigere der beiden Anbieter habe die Arbeiten zunächst für 2,1 Millionen Euro erledigen wollen. Der zweite Bieter forderte drei Millionen Euro. Als der günstigere erkannt habe, dass die Entscheidung wohl zu seinen Gunsten falle, habe er weitere Baukosten in Höhe von 250 000 Euro geltend gemacht. „Deshalb haben wir die Notbremse gezogen, die Ausschreibung aufgehoben und werden nun in ein paar Monaten noch einmal unser Glück versuchen“, sagt Wallbrecht.

Solche extremen Ausreißer seien die Ausnahme, betont der Baubürgermeister. Der Trend sei aber eindeutig. Immer weniger Anbieter würden immer höhere Preise verlangen. Das spüren natürlich auch private Investoren. Die Preissteigerungsrate im vergangenen Jahr liege dort, so erklärt ein Experte, „deutlich im zweistelligen Bereich“. Leider nur eine theoretische Lösung sei es, antizyklisch zu bauen. „Eigentlich sollten wir jetzt das Geld sparen und es dann investieren, wenn es wieder eine wirtschaftliche Delle gibt, Kapazitäten auf dem Baumarkt also frei werden“, gibt Wilfried Wallbrecht zu bedenken. Doch zum einen könne niemand sagen, wann das geschehen wird. Zum anderen vertragen viele Projekte keinen Aufschub – etwa wenn es um die Sanierung maroder Brücken geht.

Viele offene Stellen bei der Stadt

Für die Städte kommt angesichts des Baubooms ein weiteres Problem hinzu: Denn zum einen sind in den Krisenjahren 2008/2009 viele Stellen eingespart worden, um Kosten zu sparen. Das sei aber aktuell gar nicht einmal das Hauptproblem, sagt der Esslinger Baubürgermeister. Denn bevor man an die Neuschaffung von Stellen denken könne, müsse man ja die vorhandenen mit geeignetem Personal besetzen. Das wiederum sei eine Herkulesaufgabe. Allein in der Esslinger Bauverwaltung gebe es momentan fünf offene Stellen für Architekten. „In diesem Segment zahlt die freie Wirtschaft einfach deutlich besser als wir“, erklärt Wilfried Wallbrecht das Problem.

Selbst wenn man dann Personal gefunden habe, müsse es sich oft erst mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machen. Ein städtischer Verkehrsplaner etwa brauche erfahrungsgemäß ein Jahr, bis er alle Straßen und Verkehrsverbindungen kenne. Erst dann habe er die Kompetenz, um seine Aufgabe sinnvoll erledigen zu können.