Überall Absperrungen, Sackgassen und Engpässe, an denen sich die Fahrzeuge in Kurven vorbeischlängeln: Die Autorouten in Stuttgart sind kompliziert wie selten zuvor. Das liegt nicht nur an den Folgen des Projektes Stuttgart 21 und am Bau des Rosensteintunnels.

Stuttgart - Ende kommender Woche ergibt sich ein Lichtblick. Dann dürfte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wieder mehr Autos rollen sehen, wenn er von seinem Büro auf die B 14 schaut – nach 22 Monaten, in denen er immer wieder auf gesperrte Spuren am Fahrbahnrand blickte, weil vom Gehweg zur Stadtbahnstation Österreichischer Platz ein Aufzug gebaut wurde.

 

Warum so lang?, haben sich der Minister und die Autofahrer oft gefragt. Die Erklärung ist verblüffend einfach: Ein Aufzug, der einen barrierefreien Zugang für Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen zur Stadtbahn herstellen soll, musste durch die Spannbetondecke der Stadtbahnröhre getrieben werden. Und Eingriffe in eine Spannbetondecke seien alles andere als trivial, sagen Bauingenieure.

Schwieriger Aufzugsbau

In dem Fall hat das Tiefbauamt sogar einen Experten der Uni Stuttgart für experimentelles Bauen zugezogen und die Umgebung abgesperrt, aus Sicherheitsgründen auch die benachbarte Fahrspur. Man fürchtete um den Fortbestand der Spannbetondecke unter der Gehweg- und Fahrbahnoberfläche. „Das Bauverfahren war sehr aufwendig“, sagt Bernd Schröder vom Tiefbauamt. Man habe einen Träger in der Deckenkonstruktion gekürzt und die in der Decke auftretenden Kräfte neu einleiten müssen in einen anderen Träger. Das war nicht die einzige Maßnahme hier. Seit die Straßenspur Ende Juni 2014 gesperrt wurde, habe man auch den Brandschutz in der Stadtbahnstation nachgerüstet, berichtet Schröder. Das könne man sich vorstellen wie einen neuen Vorhang, der in der Station bis auf zwei Meter Abstand zum Boden abgesenkt wird und der im Brandfall Rauchgase absaugt. Die Vorrichtung soll verhindern, dass der Rauch ins Treppenhaus zieht und Menschen gefährdet. Jetzt aber geht das Bauen zu Ende. In der Kalenderwoche 16 will man die Fahrspur freigeben, am 28. April den Aufzug.

Es wird in Stuttgart aber weiterhin Engpässe im Straßennetz geben, die von Baumaßnahmen neben den Straßen verursacht werden. Susanne Scherz vom Ordnungsamt und ihre Mitarbeiter haben ständig mit Folgen der Baustellen von öffentlichen oder privaten Bauherren zu tun. Da geht es um S 21 und den Bau des Rosensteintunnels, die Teile der Stadt in große Hindernisparcours für Autofahrer verwandelt haben. Dazu kommen aber auch viele kleine Vorhaben. Da grenzt es an ein kleines Wunder, dass beim Automobilclub ADAC immer noch Gleichmut herrscht. „Trotz der vielen Baustellen ist ein Komplettchaos durch gute Alternativverkehrsführungen bisher verhindert worden“, lobt Reimund Elbe, Sprecher des ADAC Württemberg. Klare Streckenführungen seien halt das A und O, wenn sich die Eingriffe, was oft der Fall sei, nicht verhindern ließen. Falls es in den Bereichen zu einem Unfall komme, „bricht in einer Stadt wie Stuttgart der Verkehr zusammen“. Grundsätzlich müssen zwar erst die Bauherrengrundstücke für Baustelleneinrichtungen herangezogen werden, sagt Susanne Scherz. Wenn das nicht ausreicht, kommt aber der öffentliche Raum ins Spiel: „Wir haben eine Projektförderpflicht.“ Spürbare Folgen seien oft nicht zu vermeiden, denn Stuttgarts Innenstadt ist dicht bebaut und die Baufelder sind oft nicht groß. Außerdem: wenn sich jemand zum Bauen entschieden hat, wie es zum Beispiel beim früheren Kaufhaus Karstadtder Fall ist, komme es oft zu Folgeprojekten in der Nachbarschaft, sagt Scherz. Manchmal auch deshalb, weil die Gebäude miteinander verbunden sind.

Stadt muss Projekte fördern

Prüfen und genehmigen oder ablehnen müssen die Baustellenteams, doch die sind überlastet. Daher werden vier weitere Mitarbeiter gesucht: zwei Sachbearbeiter und auch zwei Bauingenieure, die wissen, wie Baustelleneinrichtungen aussehen müssen. „Das ist kein Bürojob. Das ist ein harter Job“, sagt Scherz. Da müsse man auch nachts und an Wochenenden raus. Zwei solche Ingenieure sind beim Ordnungsamt im Moment allein wegen S 21 tätig, einer für den Bereich Rosensteintunnel. Drei weitere teilen sich die Stadbezirke auf.

Große Straßenreparaturen sind noch gar nicht begonnen

Wenn die neuen Mitarbeiter eingestellt sind, kann es zwei Jahre dauern, bis sie die Verhältnisse in Stuttgart genau kennen. Alle zusammen brauchen Fach- und Rechtswissen. Die Sachbearbeiter müssen sich in den Bezirken auskennen, die Ingenieure im Straßennetz und in der sonstigen Infrastruktur. Die Überlastung der Teams werde bis zur Einarbeitung der Neuen anhalten, sagt Scherz, und neue Aufgaben sind bereits absehbar. „Jeder neue Radwegbau wirkt sich aus, mit der Erweiterung bei Porsche in Zuffenhausen haben wir bereits kräftig zu tun“, sagt Scherz, „und die Aufsiedlung im Neckarpark kommt noch dazu.“

Auch Jürgen Mutz, Leiter der Bauabteilung Mitte/Nord beim Tiefbauamt, sieht die vielen Hochbauten als wesentliche Ursache für die Allgegenwart von Baustelleneinrichtungen im Straßenraum. Seine Leute seien „noch gar nicht mit den großen Straßenunterhaltungsmaßnahmen unterwegs“. Das komme in den Sommerferien. Sehr aktiv sei im Moment aber die EnBW mit Leitungsarbeiten für Strom, Gas und Wasser. Aktuelles Beispiel: Büchsen- und Holzgartenstraße sind beim Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle in Fahrtrichtung Hegelplatz blockiert. Am Berliner Platz wird auch gebaut. Wer vom Charlottenplatz zum Hegelplatz will, ist mit dem Planie-Tunnel nicht gut beraten. Er sollte das KKL weiträumig umfahren, statt in die Sackgasse zu steuern. Am Bahnhof vorbeizufahren wäre möglich, aber dort lauert der Engpass durch S 21.

Die Moral aus dieser Geschichte: Autofahrer in Stuttgart müssen sich zurzeit gut auskennen. Und: Jobs bei den Baustellenteams der Stadt sind zukunftssicher.

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