Anwohner fordern Schadenersatz von der Bahn, weil nachts Pressluftsirenen zum Einsatz kamen.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stuttgart-Zuffenhausen - Ich bin mit meinen Nerven am Ende“, sagt Jürgen Strohmaier. Er schaut aus dem Fenster und zeigt auf die Gleise, die in Sichtweite an seinem Haus an der Zabergäustraße vorbeiführen. Nicht was er dort sieht, sondern was er und seine Frau von dort zu hören bekommen haben, treibt ihm die Zornesröte ins Gesicht. „Angefangen hat der Ärger in den Nächten über die Osterfeiertage“, sagt Strohmaier. „Die Bahn hat Gleise und Weichen repariert. Tagsüber und die ganze Nacht ertönten Warnsirenen, manchmal im Abstand von nur zehn Minuten – da war an Schlaf nicht zu denken.“ Minutiös hat der Zuffenhäuser Buch geführt und die Ruhestörungen aufgelistet. An 43 Nächten im März und April, davon vier Sonn- und zwei Feiertage, hätten die Warnsirenen ihn und seine Frau aus dem Schlaf gerissen und die Feiertagsruhe gestört. „Oft sind wir Schlag 3 Uhr nachts wach geworden – für mich grenzt das an Körperverletzung.“ Strohmaier ist mit seinem Ärger nicht allein. Mehr als 100 Unterschriften von anderen Anwohnern, die sich durch die Arbeiten belästigt fühlen, haben er und seine Frau mittlerweile gesammelt.

 

„Die Baustelle einzustellen, ist keine Option“

Schützenhilfe erhalten die Anwohner von einem Mitarbeiter des Eisenbahn-Bundesamtes, Harald Feeser. Er war auf Strohmaiers Bitten nachts vor Ort und hatte Messungen an der Zabergäustraße durchgeführt. Dabei kam Feeser auf Spitzenwerte zwischen 86 und 93 Dezibel, erlaubt wären höchstens 60, sagt er. Die Ursache: Um die Arbeiter zu warnen, wurden entlang der Gleise so genannte Rottenwarnanlagen installiert. Dabei werden auf einer Strecke von bis zu 800 Metern automatisch alle 30 Meter Signalhörner ausgelöst, sobald sich ein Zug nähert. Die Anlagen erzeugten eine Lautstärke zwischen 110 und 126 Dezibel, wenn man unmittelbar an ihrem Standort messe, erklärt Feeser. „Das liegt zwischen Presslufthammer und startendem Düsenflugzeug.“ Bei der Baustelle als solcher handle es sich um Instandhaltungsmaßnahmen, die generell nicht genehmigungspflichtig seien. Allerdings bemängelt er, dass die Bahn „bei einer Vorlaufzeit von ein bis zwei Jahren es nicht schafft, den Lärmschutz in ihre Planung einzubeziehen“. Es gebe auch Warnanlagen, deren Sirenen abschnittweise an- oder ausgeschaltet werden können. „Es ertönen dann nur die Sirenen an den Bereichen, wo unmittelbar gearbeitet wird.“ Auch hätte man seiner Ansicht nach Nachbargleise sperren können, um auf Signalhörner ganz zu verzichten. „Meiner Meinung nach sollte man derartige Rottenwarnanlagen lieber in Sibirien einsetzen – dort vertreiben sie gleich Wölfe und Bären.“ Die Baustellen einzustellen, sei wegen der Verhältnismäßigkeit keine Option. „Wenn man das täte, würde am Montag keine Bahn mehr fahren.“ Dass es während der Bauarbeiten laut wurde, stellt eine Sprecherin der Deutschen Bahn in Stuttgart nicht in Abrede. Auf einer Länge von 1,6 Kilometern seien Gleise erneuert und zehn Weichen ausgetauscht worden. Es habe keine andere Lösung gegeben, als die Signalhörner aufzustellen: „Wenn wir die Nachbargleise gesperrt hätten, dann wäre der gesamte S-Bahnverkehr in Stuttgart zum Erliegen gekommen.“ Die Pressluftsirenen seien aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen unverzichtbar: „Wir können da niemanden mit einem Fähnchen winken und nur einmal pfeifen lassen, wenn ein Zug kommt. Die Sicherheit unserer Arbeiter geht vor.“ Die Baustelle als solche sei auch nicht anmeldepflichtig gewesen. „Wir haben aber die zuständigen Behörden trotzdem rechtzeitig zum Jahresbeginn über die Maßnahme informiert.“ Laut sei es während der Bauarbeiten sicherlich gewesen, aber die „Warnanlagen wurden zwischen 0.30 und 5 Uhr, also während der Betriebsruhe der S-Bahnen, abgestellt.“ Dass sich Anwohner gestört fühlten, sei bedauerlich, die nächtlichen Arbeiten seien aber unvermeidbar gewesen: „Wir arbeiten gerade deshalb auch nachts, damit die Baustelle schnell fertig wird.“

Damit will sich Jürgen Strohmaier nicht zufrieden geben. Er hat sich bei der Bahn, beim Innenministerium, beim Regierungspräsidium und bei der Staatsanwaltschaft beschwert. Von der Deutschen Bahn fordert er Schadenersatz im fünfstelligen Bereich und möchte diesen gegebenenfalls auch vor Gericht einklagen.