Stefanie Gresser betreibt in Allmersbach im Tal einen Friseursalon. Sie ärgert sich über das schlechte Image der Branche und bezahlt ihren Mitarbeiterinnen gutes Geld sowie Zusatzleistungen. Ein Beispiel, das Schule machen könnte?

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Allmersbach im Tal - Fast immer, wenn es um besonders mies bezahlte Jobs geht, dann wird das Friseurhandwerk als abschreckendes Beispiel angeführt. Das ärgert Stefanie Gresser. Die 42-jährige Meisterin betreibt seit gut 15 Jahren mitten in dem kleinen Örtchen Allmersbach im Tal einen Salon mit zehn angestellten Friseurinnen und zwei Personen an der Rezeption. Gresser war früher Leistungssportlerin des Tanzclubs Ludwigsburg. Zusammen mit ihrem Mann Achim Gresser und der Mannschaft aus der Barockstadt war sie vor knapp 20 Jahren deutsche Vizemeisterin, Dritte bei der Europameisterschaft und Vierte bei der WM. Womöglich kann sich die Frau mit dem strahlenden Lachen deshalb ganz besonders motivieren, sich und auch ihre Angestellten.

 

Irina Rieder arbeitet seit 14 Jahren beim „Creativfriseur“ in Allmersbach und sagt, die Bezahlung sei gut, die Chefin lasse die Beschäftigen machen, das Team sei toll, sie selbst „sehr zufrieden“. Stefanie Gresser erklärt, sie bezahle weit über Tarif, wie viel genau, will sie nicht verraten. Der kürzlich von der Gewerkschaft Verdi und dem Fachverband Friseur und Kosmetik ausgehandelte Mindestlohn von 11,50 Euro sei „aus unserer Sicht noch lange nicht das Ende des Dumpinglohns“.

Bei vielen Betrieben sei die Entlohnung „verhältnismäßig schlecht“. Denn welcher Arbeitnehmer könne sich von 11,50 Euro schon selbst versorgen? In der Branche, sagt Frau Gresser, „muss ein Umdenken stattfinden“. Sie bezahle ihren Friseurinnen zusätzlich zum Lohn Provisionen, Anfahrtspauschalen, Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, ein kleines Weihnachtsgeld sowie Zuschüsse zu den Betreuungskosten für die Kinder.

Männer bezahlen 22,50 Euro, Frauen 45 Euro

Der Salon in Allmersbach ist freilich kein Billigfriseur, ein Männerhaarschnitt kostet 22,50 Euro, Frauen bezahlen 45 Euro. Kunden, die sich für zehn Euro die Haare schneiden ließen, müssten wissen, dass die Friseurinnen so eines Salons mies bezahlt würden. Stefanie Gresser sagt, sie wundere sich immer wieder mit wie wenig Geld sich manche Kolleginnen zufrieden gäben. Sie hab eine Mitarbeiterin, die von einem größeren „Exklusivfriseuren aus Stuttgart“ nach Allmersbach gekommen sei, diese Friseurin bekomme nun „20 bis 30 Prozent mehr“. Gresser fragt sich und ihre Branche: „Wenn das bei einem Dorffriseur funktioniert, warum nicht flächendeckend?“ Das Friseurhandwerk und die Kunden müssten umdenken. Eine gute Dienstleistung müsse nicht billig sein, nicht für die Friseurinnen und auch nicht für die Kunden.

Tarifvertrag läuft bis Ende Juli 2020

Eva Schmidt von der Gewerkschaft Verdi sagt, es sei ein großer Erfolg, dass die Löhne „für allgemein verbindlich erklärt“ worden sein, das bedeute, dass alle Friseursalons im Land mindestens diese Löhne bezahlen müssten. Der Tarifvertrag habe eine Laufzeit bis Ende Juli 2020, „danach können wir mit dem Fachverband in neue Tarifverhandlungen einsteigen“. Es sei nicht zu erwarten, dass es so gelingen werde Lohnerhöhungen von 20 oder gar 30 Prozent zu erreichen. Verdi habe in dieser Branche ohnehin „nur eine geringe Durchsetzungskraft“, kaum Friseurinnen seien gewerkschaftlich organisiert.

Matthias Moser, der Geschäftsführer des Fachverband Friseur und Kosmetik, gibt sich auf Anfrage zugeknöpft, er erklärt lediglich, dass es sehr schwierig gewesen sei, die sogenannte Allgemeinverbindlichkeit für das neue Tarifwerk hinzubekommen. Nun müssten – immerhin – alle Friseure im ganzen Land nach Tarif bezahlt werden. Es gebe viele Betrieb, die mehr bezahlten als 11,50 Euro. Es sie aber sicherlich für viele Salonbetreiber schwierig, 20 oder gar 30 Prozent draufzulegen.

Die Oma ist an allem schuld ...

Stefanie Gresser jedenfalls ist angekommen in ihrem Traumberuf, auch wenn das Führen eines Salons nicht immer traumhaft sei, erklärt sie und lacht. Auf Anraten ihres Patenonkels – Friseur sei ein „asozialer Beruf“ hatte dieser erklärt – hatte sie nach der Schule zunächst eine Ausbildung zur Diätassistentin begonnen und wenig später abgebrochen.

Nach dem Friseurmeister habe sie eigentlich Berufsschullehrerin werden wollen. Doch diesem Plan kam ihre Oma in die Quere: Die alte Dame, die in Allmersbach wohnt, handelte den Mietvertrag für den Salon im Ort aus und legte der Enkelin das Papier vor. Die Stefanie müsse nur noch unterschreiben. Was sie dann zur Freude der Oma getan hat.