Ein Zug voller Gold, vergraben von den Nazis - die Geschichte klingt wie ein Hollywoodfilm. Wissenschaftler melden jetzt Zweifel am angeblichen Fund in Polen an.

Hannover/Walbrzych - Der mysteriöse Fund begeistert Schatzsucher und Verschwörungstheoretiker gleichermaßen: In einem Schacht 50 Meter unter der Erde des polnischen Städtchens Walbrzych soll ein deutscher Zug aus dem Zweiten Weltkrieg liegen - beladen mit Raubgold der Nazis, wie Gerüchte besagen. Mit einem Bodenradar wollen die beiden angeblichen Entdecker die Sensation aufgespürt haben. Doch Wissenschaftler sind skeptisch, dass das in solchen Tiefen überhaupt funktioniert. Und dass es sich um einen Zug handelt, wäre damit wohl auch nicht zu erkennen.

 

Bodenradare schicken Signale in die Erde, wo diese reflektiert und von einer Antenne an dem Gerät wieder empfangen werden. Dadurch können sich Experten ein Bild von den Strukturen im Untergrund machen. Wie gut das funktioniert, hängt von der Bodenbeschaffenheit ab. „Ein normales Radar kommt in 10, 20 und in sehr günstigen Fällen in 30 Meter Tiefe. Dann ist Schluss“, weiß der Geophysiker Prof. Kord Ernstson aus eigener Erfahrung. Er bietet mit seinem Büro in der Nähe von Würzburg geophysikalische Messungen und Gutachten an. Das Radarbild aus Walbrzych hält er deshalb nicht für glaubhaft.

Bilder von den Medien überinterpretiert

Auf ihrer Homepage präsentieren die beiden angeblichen Entdecker Piotr Koper und Andreas Richter eine Aufnahme aus 50 Metern Tiefe, die den Zug in dem Schacht zeigen soll. „Das ist grundsätzlich möglich“, sagt Volker Gundelach von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. „Trockene sandige Böden lassen solche Tiefen zu, gering leitfähige Gesteine wie trockener Granit oder Kalkstein auch. Doch in den meisten Fällen ist es unwahrscheinlich, dass man solche Tiefen erreicht.“ Zum Vergleich: Bei einem bewirtschafteten Acker seien nicht mehr als zehn Meter möglich.

Die Existenz eines verborgenen Tunnels unter der niederschlesischen Bergbaustadt Walbrzych oder des sagenumwobenen „Gold-Zugs“ kann ein Radarbild so oder so nicht beweisen. „Man bekommt nur Strukturen angezeigt, die einem überhaupt nicht sagen, was da unten ist“, erläutert Ernstson. „Es gehört eine ungeheure Erfahrung dazu, Radardaten auszuwerten und zu interpretieren.“ Das Ganze erinnere ihn sehr an die Suche nach dem legendären Bernsteinzimmer. „Da sind schon so viele mit irgendwelchen Messgeräten unterwegs gewesen und haben angeblich Unglaubliches entdeckt.“ Nur das Bernsteinzimmer eben nicht.

Auch ein polnischer Experte hatte bereits an der Aufnahme von Koper und Richter gezweifelt. Seiner Ansicht nach handelt es sich um eine Fotomontage. Inzwischen sind die beiden Männer zurückgerudert. Die Aufnahme sei nur ein Beispielbild, das die Medien überinterpretiert hätten, schrieben sie in einer Stellungnahme. Ihren Fund hatten sie Mitte August bei den Behörden angemeldet und Finderlohn gefordert. Prompt brach in Walbrzych das Schatzfieber aus: Trophäenjäger und Journalisten aus ganz Europa stiegen durch die Stollen unter der Stadt.

Was ist an der Legende dran?

Doch was ist überhaupt an der Legende dran, wonach die Nazis irgendwo einen gepanzerten Zug mit dem „Schatz des Dritten Reiches“ versteckt haben sollen? „Es gibt seit Jahren Spekulationen über einen Nazi-Schatz, der immer wieder woanders verortet wird“, sagt der Berliner Geschichtsprofessor Arnd Bauerkämper von der Freien Universität. Bekannt ist, dass die Nazis nach 1945 viele wertvolle Gegenstände per Zug, Lastwagen oder Flugzeug transportierten, um sie vor den Alliierten in Sicherheit zu bringen. Schlesien galt außerdem lange als Rückzugsbastion. Trotzdem hält der Experte für Nationalsozialismus die Geschichte für reine Spekulation. „Ich glaube das erst, wenn ich konkrete Belege sehe.“

Bis die vorliegen, wird es wohl noch dauern. Jetzt soll das Militär das Gelände mit Bodenradar untersuchen. Doch vorher sollen die örtlichen Behörden es erst noch von Müll, Unterholz und Baumresten befreien lassen. Doch um wirkliche Gewissheit zu haben, bleibt am Ende wohl nur eins übrig, meint der Geophysiker Ernstson: „Man müsste schon graben, bohren oder den Stolleneingang finden.“