Ein Tipp, eine Observierung, eine Verfolgungsjagd: Bayerische SEK-Kräfte fassen sechs verdächtige Dealer und stellen eine Riesenmenge Drogen sicher.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Neu-Ulm/München - So manche der rund 600 Anwohner im Neu-Ulmer Stadtteil Schwaighofen dürften in der Nacht vom vergangenen Samstag zum Sonntag jäh aufgeschreckt worden sein. Vor dem Gelände eines örtlichen Fruchtgroßhandels kreuzte eine Spezialeinheit der Polizei auf, ein lärmender Hubschrauber richtete aus der Luft Scheinwerfer auf Straßen und Hinterhöfe, Suchhunde waren unterwegs. Ein großer Drogenfund sei gemacht worden, teilte die Polizei mit, als es hell geworden war, Verdächtige seien verhaftet worden.

 

Am Dienstag gab das Landeskriminalamt Bayern (LKA) bei einer Pressekonferenz in München Details bekannt. In einer Kleinhalle, die innerhalb des Obsthandelsgeländes zum Reifen von Früchten dient, fanden SEK-Einsatzkräfte annähernd 500 Kilogramm Kokain, portionsweise verpackt in gestapelten Bananenkisten. Marktwert: rund 20 Millionen Euro. Zuvor war es innerhalb Schwaighofens zu Verfolgungsjagden gekommen, die teilweise über das Gelände eines Milchwerks und durch einen nahe gelegenen Verkehrsübungsplatz führten. Sogar der Verkehr der Illertalbahn wurde während des Großeinsatzes gestoppt. Am Ende konnte die Polizei sechs Männer im Alter zwischen 24 und 39 Jahren fassen, sie sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Fünf Verdächtige besitzen albanische Pässe, einer stammt aus Rumänien. Ein Flüchtiger mit noch unbekannter Identität konnte entkommen.

Verletzte während der Verfolgungsjagd

Einer der Festgenommen habe sich auf der Flucht eine Schnittverletzung an der Hand zugezogen, ebenso ein Polizeibeamter, gab das LKA bekannt. Der Zugriff war hektisch und besonders gefährlich, weil er verhältnismäßig kurzfristig vorbereitet werden musste. Bei einer routinehaften Qualitätskontrolle am Freitag stieß ein Firmenmitarbeiter den Behörden zufolge auf einige der Kokainpäckchen. Er verständigte die Polizei. Als das Ausmaß des Drogenschmuggels deutlich wurde, zog das Landeskriminalamt in München den Fall an sich, rief das Spezialeinsatzkommando auf den Plan.

Anstatt die Drogen sofort zu bergen, entschied sich die Einsatzleitung zum Warten. Im Hintergrund wurden währenddessen die Lastwagen ermittelt, in denen die Bananenkisten nach Neu-Ulm transportiert worden waren. Als Beladeort wurde ein niederländischer Hafen ermittelt. Noch ein dritter Lastwagen war in diesem Zusammenhang mitbeladen worden. Die niederländische Polizei stoppte und durchsuchte im Rahmen der internationalen Amtshilfe das Fahrzeug, fand jedoch keine Drogen.

Eine dreiköpfige Vorhut der Gauner bricht eine Halle auf

Zwischen drei und vier Uhr morgens, so berichteten am Sonntag Anwohner gegenüber Ulmer Lokalmedien, kam es dann zum Zugriff in Schwaighofen. Laut dem Landeskriminalamt brach eine dreiköpfige Vorhut der mutmaßlichen Dealerbande zunächst die Tür zur Reifehalle auf dem Obsthandelsgelände auf. Erst danach kamen weitere vier Männer hinzu. In mitgebrachten Taschen wollten sie die Kokain-Päckchen abtransportieren.

Das bayerische LKA geht davon aus, wie es am Dienstag hieß, dass die gefassten Verdächtigen zur Abholung der Drogen extra nach Deutschland eingereist sind. Der Plan sei es wohl gewesen, noch während der Nacht wieder über die Grenze ins Ausland zu kommen – ein Vorgehen, das schon aus früheren Drogengeschäften im großen Stil bekannt ist. Der bayerische LKA-Präsident Robert Heimberger sagte am Dienstag: „Diese erneute Sicherstellung einer enormen Menge eines gefährlichen Rauschgiftes zeigt deutlich, dass weiterhin skrupellose und bestens organisierte Täter versuchen, viel Geld damit zu verdienen.“ Nur durch enge internationale Zusammenarbeit könnten die Sicherheitsbehörden den organisierten Drogenhandel auch in Zukunft bekämpfen.

Wie weit das Netzwerk im Fall Neu-Ulm reicht, ist derzeit offen. Die Hoffnung der bayerischen Fahnder dürfte darin liegen, die sechs Verdächtigen schnell zum Reden zu bringen. Auskünfte in diesem Punkt gab es am Dienstag nicht. Die Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft Memmingen und des LKA dauerten an, hieß es lediglich. Schon vor der Pressekonferenz in München hatte der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) seine Polizei gelobt. Es sei ein „großer Schlag gegen den internationalen Kokainhandel“ gelungen.