Der Ludwigsburger Stadtrat will das Biotopgebiet Zugwiesen schützen. Denn zu viele Besucher hinterlassen in dem Naturraum unerwünschte Spuren.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Die Verordnung für das Neckarbiotop Zugwiesen hat am Dienstagabend die Zustimmung des Ludwigsburger Gemeinderats gefunden. Eine solche Regelung ist notwendig geworden, weil das Areal an den Neckarwiesen in Poppenweiler seit seiner Eröffnung vor fast genau einem Jahr von Besuchern überlaufen wird. Etwa zehn Prozent von ihnen, so die Schätzung der Verwaltung, verhalten sich jedoch nicht, wie das in einem schützenswerten Naturraum notwendig ist. Sprich: sie baden, lassen Modellflugzeuge fliegen oder lassen ihren Hund im Wasser toben. Bisher hatten die Naturführer, die sogenannten Zugwiesenguides, keine Handhabe, allzu erlebnishungrige Besucher in ihre Schranke zu weisen. Die Ordnungskräfte hatten keine Möglichkeit, ein Ordnungsgeld zu verhängen. Das ist nun möglich.

 

Aber die dem Beschluss vorangehende Diskussion war der Beleg dafür, dass nicht alle Vertreter des Gremiums – die Rathausspitze inklusive– ihre eigenen Absicht so recht en detail verinnerlicht haben. Mit den Worten „Natürlich dürfen Sie mit den Füßen ins Wasser“, versuchte der Oberbürgermeister Werner Spec den Zielkonflikt zwischen Naturschutz und Freizeitbedürfnis zu entschärfen. Ähnlich einlenkend gab sich der erste Bürgermeister Konrad Seigfried, als er auf Bernd Kirnbauers Einwurf, ob man denn seinen Hund wirklich nicht ans Wasser lassen dürfe. Auch das sei natürlich erlaubt, antwortete Seigfried konziliant – und versprach eine behutsame Umsetzung der Verordnung.

„Mehr Natur und weniger Partymeile“

Der Text der Verwaltungsvorlage ist ein anderer. Der verbietet genau das aus einem nachvollziehbaren Grund. Dort ist vom „Schutz der auentypischen Strukturen und Uferbereiche als Lebensraum für seltene und teilweise in ihrem Bestand bedrohte, gewässertypische Tier- und Pflanzenarten“ die Rede. Will sagen: gerade der Uferbereich ist heikel und besonders schützenswert, weil die Vögel dort nicht mehr rasten und schon gar nicht brüten. Baden, Waschen, der Aufenthalt von Hunden im Wasser, Bootsfahren oder das Verlassen der Wege und Zelten sind nun untersagt.

Vielleicht liegt die innere Zerrissenheit des Gremiums daran, dass sich Ludwigsburg, wie der CDU-Rat Claus-Dieter Meyer anführte, nie als Stadt am Fluss empfunden hat. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass der Stolz über ein zukünftiges Naturschutzgebiet am Neckarufer groß, der Weg dorthin jedoch steinig ist. Die CDU stimmte letztlich mehrheitlich zu genauso wie SPD, Grüne, FDP, Freie Wähler und Elga Burkhardt (Lubu). Letztere bemängelte ein generelles Defizit der Barockstadt an öffentlich zugänglichen Freiflächen. Regelrecht beseelt vom Naturschutzgedanken wirkte gar Reinhardt Weiss (FW), als er forderte, „lass doch da unten ein bisschen mehr Natur und weniger Partymeile sein“.

Denn mit der Zustimmung zur Verordnung beauftragte der Gemeinderat die Verwaltung auszuloten, wie zwischen Freibad Hoheneck und Staustufe Poppenweiler unter Nutzung der vorhandenen Infrastruktur in Form von Parkplätzen, Toiletten und Grillplätzen das Freizeitangebot ausgebaut werden könne.

Zugwiesen Ludwigsburg

Kommentar: Feilschen um die Natur

Am Schluss ging es im Ludwigsburger Gemeinderat zu wie auf einem orientalischen Basar. 100 000 oder 10 000 Euro Strafe bei Verstößen gegen die Naturschutz-Auflagen im Zugwiesen-Biotop? Geschenkt! Die Verwaltung ließ sich runterhandeln auf 10 000 Euro. Frei nach dem Motto: wird ja doch nie fällig. Aber da hatte die Diskussion ohnehin längst alle Ernsthaftigkeit verloren. Und doch ist diese Begebenheit mehr als eine Marginalie in einer von der Verwaltung nicht sehr überzeugend geführten Debatte.

Zwar ist das Ergebnis eine Naturschutzverordnung. Das ist gut und notwendig. Die Zwischentöne dieser Diskussion offenbaren jedoch bei manchem Rat eine erschreckende Gleichgültigkeit und Uninformiertheit. Ein bisschen mehr Verantwortungsgefühl hätte manchen da gut angestanden – bei aller Rücksicht auf den Wunsch vieler gestresster Städter, die Natur zu erleben. Das Recht will ihnen niemand verwehren.

Gleichzeitig gilt eben auch: der Erlebnisraum Natur fällt einem nicht einfach zu. Ein Naturschutzgebiet gewinnt man nicht in der Tombola. Es bedeutet Arbeit jeden Tag – und den Willen, nicht nachzugeben und nachzulassen. Ein bisschen Naturschutz gibt es nicht. (ilo)