Im Bad Cannstatter Kursaal ist am Montagabend beim Frühjahrsempfang des Forums Region Stuttgart intensiv über die Zukunft der Region Stuttgart diskutiert worden, die nach dem Ergebnis einer Studie „moderner, jünger und mutiger“ werden muss.

Stuttgart - Eigentlich wollten sich die fünf Herren auf dem Podium im Cannstatter Kursaal am Montagabend nicht am Bashing beteiligen, das ansonsten gerne gepflegt werde im regionalen Miteinander, wie einer feststellte. Ein paar Seitenhiebe gab es dann aber doch – gerichtet ans grün-rote Kabinett und besonders an Verkehrsminister Winfried Hermann. Eine Landesregierung müsse an der richtigen Stelle investieren, sagte der Unternehmer Hans Peter Stihl, „dazu gehört die Infrastruktur, und da habe ich beim grünen Verkehrsminister gewisse Zweifel“. Dafür gab es Applaus von den rund 500 Zuhörern beim Frühjahrsempfang des Forums Region Stuttgart. Als Stihl wenig später den – ebenfalls grünen – Oberbürgermeister Fritz Kuhn für sein regionales Engagement lobte, klatschte ein einsames Händepaar – was einiges aussagt über die parteipolitischen Prioritäten des Forums Region Stuttgart, das sich als überparteiliche Initiative für die Region Stuttgart versteht.

 

„Wo sind die Kräfte für einen neuen Aufbruch?“

Eigentlich suchte die vom ehemaligen Chefredakteur der „Stuttgarter Nachrichten“ Jürgen Offenbach moderierte Runde mit Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut, dem Wissenschaftler Ernst Messerschmid, dem früheren VfB-Präsidenten Erwin Staudt und Stihl eine Antwort auf die Frage, die Forums-Vorstand Wolfgang Elkart gestützt auf eine Studie (die StZ berichtete) so formulierte: „Wo sind die Kräfte für einen neuen Aufbruch?“.

Zu Beginn freilich blickte Stihl zurück auf die Gründung des Verbands Region Stuttgart vor 20 Jahren, die er mit angestoßen hatte – „gegen den Widerstand der CDU und mit der Unterstützung der SPD-Politiker Dieter Spöri und Ulrich Maurer“. „Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung, die Region hat an Bedeutung gewonnen“, sagte Stihl, der mehrfach darauf hinwies, dass sie durch die direkt gewählte Regionalversammlung vom Wähler legitimiert und „damit einzigartig und ein Beispiel für Deutschland“ sei. Auch die Widerstände gegen die Region seien mittlerweile geringer geworden, sagte Stihl: „Sogar die Landräte haben erkannt, dass man durch Zusammenarbeit nach vorne kommt.“

In Studie wird auch auf die Schattenseiten hingewiesen

In der Studie freilich wird auch auf die Schattenseiten hingewiesen: bei Unternehmensgründungen und beim Image habe die Region einen Nachholbedarf – gerade bei der Zielgruppe der 18- bis 35-Jährigen, der „jungen Talente, um die der Wettbewerb der Regionen härter wird“, so Elkart. Einen Befund, den die Wissenschaftler Bauer und Messerschmid stützten. Zwar sei die Region außerordentlich gut aufgestellt bei den Spitzenunternehmen, doch im Mittelstand sei die Innovationsdynamik nicht so ausgeprägt, sagte Bauer: „Dort sind wir nicht so gut wie Berlin oder München.“ Das gelte besonders für Zukunftsthemen von der Robotik bis zum Leichtbau. „Wir haben zu wenig Power, andere reagieren schneller“, sagte auch Mes-serschmid, der die zu geringe finanzielle Unterstützung für Gründer kritisierte. In der Raumfahrttechnik sei die Region aber stark, sagte der ehemalige Astronaut.

Region muss „moderner, jünger und mutiger“ werden

Größere Anstrengungen mahnte Bauer vor allem beim Wandel von der Automobil- zur Mobilitätsregion an. Insgesamt, und auch damit bestätigte er eine Aussage der Studie, müsse das Image der Region „moderner, jünger und mutiger“ werden, die junge Kultur brauche dafür auch Raum. Dazu gehöre auch ein Mentalitätswandel. „Man muss 1000 Frösche küssen für eine Innovation“, sagte Bauer. Das war nett formuliert, vor allem der Appell für eine jünger ausgerichtete Region passte wie der Kursaal zu Bad Cannstatt angesichts der Zusammensetzung des Podiums und der Besucher des Frühjahrsempfangs – mit Verlaub: überwiegend Träger von Anzügen in altersgemäß gedeckten Farben.

„Wir sollten trotz aller Selbstkritik stolz auf das Erreichte sein“, meinte Staudt. Mehr noch als bisher müssten alle Beteiligten, etwas für die Region beitragen. „Auch der VfB ist keine Veranstaltung der Landeshauptstadt, sondern der gesamten Region“, sagte Staudt. Er stelle aber auch fest, dass „wir nicht immer den Schwung haben, weil es uns zu gut geht und weil wir keinen Leidensdruck haben“. Nichts sei schwieriger als den Wohlstand zu managen, meinte der Ex-IBM-Manager.

Hans Peter Stihl: „Mir ist um die Region nicht bange.“

Das mochte Stihl dann doch nicht so stehen lassen. „Mir ist um die Region nicht bange. Ich bin sehr optimistisch für die weitere Entwicklung“, sagte er. Doch auf der Suche nach den Kräften für einen neuen Aufbruch blieb das Podium klare Antworten schuldig. „Ich sehe wenige Unternehmer und Politiker“, sagte Staudt. „Alle sind gefragt“, meinte Messerschmid. „Wir brauchen Leitfiguren und entsprechende Strukturen“, formulierte Bauer. Und Stihl sagte auf Offenbachs Frage, ob er jemand im Blick habe, der wie er vor 20 Jahren die Region voranbringe, nur ein Wort: „Ja“.