Viele können sich an die legendären Tupperpartys erinnern. Nun hat der Haushaltswarenhersteller finanzielle Probleme. Steht der Niedergang des Traditionsunternehmens für das Ende eines Vertriebsmodells?

Viele erinnern sich noch an die Partys, die den Küchen- und Haushaltsartikelhersteller Tupperware groß gemacht haben. Nun steckt der einst beliebte Hersteller von Plastikschüsseln in Schwierigkeiten. Steht der Niedergang des Traditionsunternehmens für das Ende eines Vertriebsmodells, das auf den ersten Blick aus der Zeit gefallen scheint?

 

Das 1946 von Earl Silas Tupper in den USA gegründete Unternehmen war Vorreiter in der Herstellung von Kunststoffprodukten, die in der Nachkriegszeit zu einer beliebten Alternative zu Glas- und Porzellanwaren wurden. Um seine Produkte zu verkaufen, erfand Tupper den Direktvertrieb, wodurch eine größere emotionale Bindung zwischen Kunden und Beratern entstehen sollte.

Beim Direktvertrieb kommen die Berater einer Firma in die privaten Wohnzimmer und Küchen, um ihre Produkte vorzuführen. Das Konzept nutzt persönliche Beziehungen, um die Produkte abzusetzen. Von den 1960er Jahren an erfreuten sich sogenannte Tupperpartys in Deutschland einer großen Beliebtheit.

Kaufrausch während der Tupperpartys

Von der Rührschüssel bis hin zur Aufbewahrungsdose hatten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich ein Bild von den Produkten zu machen. Der Eventcharakter solcher Produktvorstellungen löste bei zahlreichen Gästen einen Kaufrausch aus, der sich in der erfolgreichen Firmenbilanz von Tupperware widerspiegelte.

Von den 1990er Jahren an geriet das Unternehmen jedoch in Schwierigkeiten. Im März vergangenen Jahres meldete die Firma schließlich einen Umsatzeinbruch um 18 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar, die Aktie stürzte in kurzer Zeit von 17 Euro auf sieben Euro ab. Das war noch nicht das Ende. Derzeit liegt die Aktie um 1,16 Euro.

Der Direktvertrieb boomt wie nie

Der Boom des Onlinehandels könnte vermuten lassen, die Verkaufsstrategie sei nicht mehr zeitgemäß. Eine vom Bundesverband für Direktvertrieb in Auftrag gegebene Studie spricht eine andere Sprache: Der Direktvertrieb ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gewachsen. Im Vergleich zu 2011 ist der Gesamtumsatz der Branche in diesen zehn Jahren sogar um über 50 Prozent gestiegen. Betrug der Umsatz 2011 knapp 13 Milliarden Euro, liegt er nun bei mehr als 19 Milliarden Euro. Auch die Zahl der Freiberufler, die als Berater im Direktvertrieb arbeiten, ist um fast ein Drittel von 637 000 auf 905 000 gewachsen.

„Gerade bei Produkten, die einen gewissen Erklärungsbedarf mit sich bringen, ist dieses Vertriebskonzept sehr erfolgreich“, sagt Florian Kraus, Professor für Marketing an der Universität Mannheim. Michael Weber, Sprecher der Vorwerk-Unternehmensgruppe, bestätigt diesen Eindruck. Nach wie vor setzt seine Firma, zu dessen bekanntesten Produkten der Thermomix gehört, in erster Linie auf den Direktvertrieb.

Auch mit Büchern funktioniert die Strategie

Auch Nadja Lehr, Mitgründerin von Bücher-Party.net, freut sich über eine hohe Nachfrage. Ihre „Bücher-Feen“ bieten Kinderbuchvorstellungen in ganz Deutschland an, online und im heimischen Wohnzimmer. „Während der Coronapandemie hatten die Menschen viel Zeit, unsere Vorstellungen wurden sehr gut angenommen,“ sagt sie. Inzwischen habe die Nachfrage zwar leicht nachgelassen, bleibe aber auf einem hohen Niveau. „Wir hatten an Ostern ein sehr gutes Geschäft.“

Auch wenn der Direktvertrieb den Kunden einen gewissen Unterhaltungswert und die Möglichkeit bietet, die Produkte zu testen, so ist er doch mit Risiken verbunden. Laut Oliver Butler, Abteilungsleiter bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, fühlen sich viele Verbraucher dazu genötigt, minderwertige oder nutzlose Produkte zu kaufen. Meist bleibe wenig Zeit zum Überlegen. Beim Direktvertrieb an der Haustüre oder im Wohnzimmer gebe es keine Möglichkeit, Preise zu vergleichen. Auch bedienten sich einige Anbieter wenig seriöser Vertriebler: „Oft wird nicht ausreichend über das Widerrufsrecht aufgeklärt.“

Das Ursprungsrezept wurde vernachlässigt

Die Schwierigkeiten von Tupperware scheinen nicht Ausdruck einer generellen Krise des Direktvertriebs zu sein. Vielmehr scheinen die Probleme hausgemacht zu sein. „Die Branche ist im Wandel, Internetangebote und die sozialen Medien sind viel wichtiger geworden“, so Kraus. Zwar habe Tupperware 2018 den Onlinekanal „myParty“ eingerichtet. Doch seien solche Bemühungen erst spät erfolgt und nicht ausreichend forciert worden.

Brancheninsider vermuten, Tupperware habe zudem den Kapitalfehler begangen, sein Erfolgsrezept zu vernachlässigen. „Sie müssen die Vertriebler bei der Stange halten, sonst sind die weg“, sagt einer, der lange dabei ist. Hinzu kamen häufige Führungswechsel und eine starke Konkurrenz. Schließlich dürften die steigenden Zinsen sowie die hohe Inflation dem Unternehmen zusätzliche Schwierigkeiten bereitet haben.

Verbraucherrechte

Widerruf
Kommt es zu Hause zu einem Kaufvertrag, handelt es sich um einen sogenannten Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen. Diesen können Kundinnen und Kunden innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss ohne eine Angabe von Gründen widerrufen.

Bezahlung
Die Verbraucherzentralen warnen davor, die Rechnung sofort zu begleichen oder eine hohe Anzahlung zu leisten, da es dadurch deutlich schwerer wird, im Falle des Widerrufs das Geld zurückzuerhalten.