Die Deutsche Bahn Cargo, Europas größte Güterbahn, kann nur mit klaren politischen Weichenstellungen überleben. Ein vertrauliches Gutachten fordert die Koalition zum Handeln auf.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Für mehr Klimaschutz und weniger Lkw-Kolonnen auf den Straßen sollte der Güterverkehr auf der Schiene massiv gefördert und ausgebaut werden. Zudem müsste die Verkehrspolitik den Frachttransport auf der Straße viel stärker regulieren und verteuern, um Verlagerungen zu erreichen. Das fordert ein vertrauliches Gutachten für die Deutsche Bahn AG, das unserer Redaktion vorliegt. Der Aufsichtsrat des größten Staatskonzerns, in dem die Bundesregierung die Weichen stellt, wird nächste Woche über die Krise der Güterbahn DB Cargo und deren Neuausrichtung beraten. Dann will auch das Klimakabinett der Bundeskanzlerin seine Vorschläge präsentieren.

 

Die drei Gutachter Oliver Wyman, SCI Verkehr und CK Rail & Logistics warnen ausdrücklich vor einer weiteren Kappung des hoch defizitären Güterverkehrs. Eine Aufgabe der Sparte wäre „aus volkswirtschaftlichen, ökologischen, sozialen sowie finanziellen Gesichtspunkten nicht sinnvoll“, so das Fazit der Experten. Und eine Konzentration auf das Kerngeschäft würde den Abbau von bis zu 3000 Arbeitsplätzen und die Aufgabe fast jeder zweiten Verladestelle bedeuten. Die DB Cargo AG ist die größte Güterbahn Europas und der größte Problemfall des Konzerns. Zahlreiche Sanierungsversuche sind gescheitert, der Marktanteil hat sich halbiert, es gibt große Qualitäts- und Lieferdefizite, in diesem Jahr könnten die Verluste auf bis zu 300 Millionen Euro steigen. Als Ursachen gelten Missmanagement und fehlende politische Weichenstellungen.

Ein Gutachten empfiehlt die Weiterentwicklung

Im Gutachten werden vier Szenarien untersucht. Die mit Abstand beste Bewertung bekommt die Option „Weiterentwicklung mit Entlastung und Förderung“. Mit Blick auf die Bedeutung der Güterzüge für die Auto-, Chemie-, Stahl- und Metallbranche, den volkswirtschaftlichen und ökologischen Nutzen, die Entwicklung des Bahnverkehrs in Europa und die Zukunft der DB Cargo sei dieses Szenario zu bevorzugen, hießt es. Die Experten schlagen vor, die Verwaltung zu verschlanken, eine Qualitäts-, Produkt-, Innovations- und Wachstumsoffensive zu starten und die Betriebsabläufe zu verbessern. Der auch hier nötige Stellenabbau könne „zu großen Teilen sozial verträglich erfolgen“. Bis 2030 seien Investitionen von 760 Millionen Euro nötig, vor allem in Automation und moderne Güterzüge.

DB Cargo sollte der Studie zufolge eine langfristige Perspektive als effizientes und nachhaltiges Transportmittel für die Wirtschaft bekommen. Mit dem Wachstum der Güterbahn könne die Straße entlastet und der CO2-Schadstoffausstoß des Verkehrs im Jahr 2030 um 530 000 Tonnen verringert werden. Schnelle Gewinne sind bei diesem Szenario aber nicht zu erwarten. Der Einzelwagenverkehr umfasst tausend Verladestellen in der Fläche und rund 140 Zugbildungsanlagen. Das Netzwerk gilt als Basis des Schienengüterverkehrs, weil es täglich 15 000 Lkw-Fahrten und so pro Jahr zwei Millionen Tonnen schädliche Treibstoffgase vermeidet. Vor der Bahnreform gab es noch 13 000 Gleisanschlüsse bei Unternehmen und in der Fläche, die meisten wurden aufgegeben. Mit der Ausdünnung sank die Rentabilität des Schienenverkehrs dramatisch. Seit 2014 häuften sich mehr als 800 Millionen Euro Verluste an, geht aus Unterlagen hervor. Der Konzern hofft auf weitere finanzielle Förderung. Die Bundesregierung hat bereits die Trassenpreise für den Güterverkehr auf der Schiene halbiert und will mit einem Masterplan Schiene die Frachtbahnen voranbringen. Zudem hat Verkehrsminister Andreas Scheuer im Zukunftsbündnis Schiene Vorschläge für eine Trendwende erarbeiten lassen.

Der Marktanteil der Schiene soll steigen

Demnach soll der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr bis 2030 auf 25 Prozent steigen und dazu die Verkehrsleistung um 70 Prozent erhöht werden. So könnten 13 Millionen Lkw-Fahrten pro Jahr vermieden werden. Unter anderem sollen dazu bis 2023 insgesamt 100 neue Loks angeschafft und der internationale Verkehr ausgebaut werden. Außerdem soll die Flotte mit digitaler Technik ausgerüstet werden. So will die DB alle 68 000 Güterwagen bis Ende 2020 mit Telematik und Sensorik ausstatten.

Um den Güterverkehr auf der Schiene zu fördern, halten die Gutachter auch „fundamentale Veränderungen“ in der Verkehrspolitik für nötig. So sollten dauerhaft günstige Trassenpreise für Frachtbahnen gelten und deren Belastung mit Energiekosten verringert werden. Gleichzeitig sollte der Lkw-Verkehr stärker reguliert werden. Die Paket- und Logistik-Dienste sollten für ihre Subunternehmer haften, wenn Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten werden. Zudem werden die Umsetzung des EU-Mobilitätspakts hinsichtlich Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer gefordert, die Einführung einer CO2-Steuer für Transporte, die Ausweitung der Lkw-Maut, regionale und zeitliche Fahrverbote für Lastwagen und der Stopp für 25-Meter-Riesenlaster.