Der Gemeinderat befürwortet in seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl seinen Generalplan für den Verkehr der Zukunft. Er umfasst weit mehr als Straßen und Wege und soll 56 Millionen Euro kosten.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Draußen läuft eine Art unfreiwilliger Probebetrieb. Die Seestraße ist wegen einer Baustelle gesperrt. Sie ist eine von zwei Bundesstraßen, die Herrenberg durchschneiden. Drinnen, im Ratssaal, beklagt auch der Grünen-Stadtart Jörn Gutbier, dass „wir erlebt haben, welches Verkehrschaos die Sperrung mit sich bringt.“ Und der Christdemokrat Hermann Horrer bemängelt, dass „unsere Stadtentwicklung durch die Bundesstraßen behindert wird.“ Solche Sätze sprechen die Stadträte in der vorerst letzten Diskussion über ihren Generalplan für die Zukunft des Verkehrs in der Stadt. Imep: Das Kürzel steht für den Begriff Integrierter Mobilitäts-Entwicklungsplan.

 

Es ist die letzte Sitzung vor der Kommunalwahl, aber die Stadträte wollen die aus ihrer Sicht historische Entscheidung nicht ihren Nachfolgern überlassen. Die Sperrigkeit des Wortungetüms ist dem Versuch geschuldet, dem Vorhaben auch verbales Gewicht zu verschaffen. Einen durchaus realistischen Eindruck darüber, welche Debatten ihm vorangegangen sind, gibt die reine Länge des Abschlussberichts. Er umfasst 70 Seiten, wohlgemerkt nur in seiner Kurzfassung. Geschrieben haben sie Mitarbeiter des Ingenieurbüros Brenner Bernard. Zu deren Aufgaben zählte, die zahllosen Runden zum Thema zu moderieren und gegensätzliche Standpunkte zu einen.

„Wir haben jahrzehntelang diskutiert, auch emotional und leidenschaftlich, der Weg war anstrengend“, sagt der Baubürgermeister Tobias Meigel. Am Ende stehe ein Konzept, „das nur eine Handvoll Städte in der Bundesrepublik haben, jetzt brennen wir auf eine zeitnahe Umsetzung“, sagt der Baubürgermeister.

Dem Kämmerer kommt zugute, dass Herrenberg zur Modellstadt erklärt wurde

48 Punkte stehen auf der Liste. Hinter jedem verbergen sich weitere Unterpunkte. Bis 2030 sollen sie alle abgearbeitet sein. Für mehr als die Hälfte ist die Verwirklichung allerdings bis spätestens 2022 angepeilt. 56 Millionen Euro will die Stadt in die Mobilität der Zukunft investieren. Dem Kämmerer kommt dabei zugute, dass Herrenberg nach dem Dieselgipfel der Bundesregierung zur Modellstadt erklärt wurde. Alle Zuschüsse abgerechnet, sollen auf die Stadtkasse 20 Millionen Euro entfallen. Hinzu kommen dauerhafte Kosten von rund 2,5 Millionen Euro jährlich für die Verbesserung des Nahverkehrs.

Im Imep stehen Kleinigkeiten wie Elektrozapfsäulen neben – aktuell wieder hoch umstrittenen – Neubauten von Parkhäusern. Über allem schwebt nicht weniger als die Absicht, den historischen Fehler der einst autogerecht gedachten Stadt zu korrigieren. „Es geht nicht um ein Nebeneinander der Verkehrsarten, sondern um ein Miteinander.“ So formuliert es Meigel.

Dem Schwerlastverkehr soll die Durchfahrt ganz verboten werden

Beispielhaft dafür steht eben die Seestraße, die zum Boulevard werden soll, auf dem Autofahrern höchstens Tempo 30 erlaubt ist. Dem Schwerlastverkehr soll die Durchfahrt ganz verboten werden. Lastwagen sollen um Herrenberg herum fahren statt quer durch die Stadt. Staus wie diejenigen, die aktuell die Sperrung verursacht, sollen verhindert werden, indem das umliegende Straßennetz neu geflochten wird. Im Generalplan sind nicht nur alle Verkehrsteilnehmer vom Fußgänger bis zum Autofahrer berücksichtigt, sondern auch Randbedingungen, beispielsweise zukünftige Bauvorhaben.

Trotz allem geht das Vorhaben so manchem noch nicht weit genug. „Zwei Drittel der 56 Millionen Euro investieren wir wieder in den Autoverkehr“, sagt der Sozialdemokrat Bodo Philipsen, „eine Mobilitätswende ist das nicht unbedingt“. Für die Freien Wähler kommentiert Thomas Deines den Generalplan eher pragmatisch: „Es geht um eine einfache, saubere und schnelle Mobilität, die haben wir im Moment nicht.“ Stattdessen gibt es alltäglichen Stau, und dies völlig unabhängig davon, welche Straße gerade gesperrt ist.