Die Aktivitäten der Ex-Bundespräsidenten beweisen: Es gibt ein berufliches Leben nach dem Amt - so wohl auch für Christian Wulff.

Stuttgart - Abgesehen von dem zunehmenden Streit, ob er den für Präsidenten üblichen „Ehrensold“ erhalten soll, beschäftigt die Bevölkerung die Überlegung, ob der arbeitslos gewordene, erst 52 Jahre alte Christian Wulff fortan eine Art Rentnerdasein führen muss. Zwar stützt die lebenslang gewährte Fortzahlung seines Einkommens die Auffassung, ein ehemaliger Bundespräsident solle oder dürfe keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen. Zwingend ist das aber nicht. Artikel 55 des Grundgesetztes bestimmt, dass der Bundespräsident keinerlei Erwerbstätigkeit ausüben darf, aber nach seinem Ausscheiden gilt diese Vorschrift nicht mehr, und andere Regeln, die ihn in dieser Hinsicht binden könnten, gibt es nicht.

 

Christian Wulff könnte also in seinen erlernten Beruf zurück und sich als Anwalt niederlassen. Er könnte in eine Sozietät oder in eine Firma eintreten, wobei die Schwierigkeit darin besteht, dass er als ein gescheiterter Präsident gilt. Aber die Aufregung über seinen Abgang wird sich im Lauf der Zeit legen, und so könnte er seine vielfältigen Beziehungen, über die er ja verfügt, dazu nutzen, um als Berater tätig zu werden. Wahrscheinlich sogar werden Gremien oder Organisationen von sich aus au ihn zukommen. So war und so ist es bei seinen Amtsvorgängern auch.

Die bisherigen Präsidenten sind sehr beschäftigt

„Selbstverständlich könnte ich mich“, so hat es Johannes Rau 2004 nach seinem Ausscheiden formuliert, „wie eine Qualle an den Strand legen.“ Aber vorstellen könne er sich das nicht, denn die Zahl der Anfragen für Aufgaben und Tätigkeiten sei vierstellig. Entgegen landläufiger Auffassung sind Bundespräsidenten vor allem in den ersten Jahren nach ihrem Ausscheiden sehr beschäftigt. Deshalb können sie über einen Referenten, eine Sekretärin und einen Fahrer verfügen. Aber das sind keine Positionen auf Dauer, diese Kräfte werden den „Altpräsidenten“ vom Bundespräsidialamt gestellt und bei schwindender Arbeitsbelastung zurückgenommen.

Manchen Positionen können sich ausgeschiedene Präsidenten gar nicht entziehen. So ist bisher noch jeder von ihnen ins Kuratorium der Deutschen Sporthilfe berufen worden. Häufig wird ihnen der Ehrenvorsitz von sozial oder kulturell bedeutsamen Stiftungen angetragen – Angebote, die sie nicht ablehnen können. Ihr Name ist ein wichtiges Aushängeschild. Roman Herzog saß der Stiftung „Brandenburger Tor“vor, ebenso der Stiftung „Bündnis für Kinder – gegen Gewalt“. Walter Scheel präsidierte viele Jahre den Verwaltungsrat den Germanischen Museums in Nürnberg, und war auch, was allgemeines Aufsehen erregte, Präsident des Deutschen Galopperverbandes. Richard von Weizsäcker saß in einer Arbeitsgruppe über die Zukunft der Vereinten Nationen, war Mitglied der EU-Reformkommission und internationaler Berater des japanischen Kunstpreises. Diese Aufzählungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Auch parteipolitische Arbeit ist möglich

Unabdingbar zur Tätigkeit ehemaliger Präsidenten gehört das Sichten und Herausgeben ihrer Reden sowie das Schreiben von Erinnerungen. Roman Herzogs Memoiren sollen allerdings erst dreißig Jahre nach seinem Tode erscheinen, denn er wolle, sagte er auf seine ironische Art, Beleidigungsprozesse vermeiden.

Nirgends steht geschrieben, dass sich ehemalige Bundespräsidenten nicht mehr in die aktuelle Politik einmischen dürfen. So hat Walter Scheel, der 1969 eine sozial-liberale Koalition mit herbeiführte, Anfang der achtziger Jahre kräftig für eine Rückkehr seiner Partei, der FDP, zur Union geworben. Richard von Weizsäcker lässt seine CDU-Mitgliedschaft bis heute ruhen, um so unbefangener konnte er deshalb den Ruf des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder annehmen, die Kommission zur Reform der Bundeswehr zu leiten. Roman Herzog wurde parteipolitisch aktiv, als er 2003 auf dem CDU-Parteitag eine Grundsatzrede hielt und danach eine CDU-Kommission zum Thema „Soziale Sicherheit“ leitete. Auch publizistisch wurden Weizsäcker und Herzog tätig, in Talkshows oder Zeitungskolumnen. Von Horst Köhler ist wenig zu hören, und von dem fast 93 Jahre alten Walter Scheel nur, dass er Wulff das Anrecht auf einen Ehrensold absprach.