Die Vision einer Luftrettung in kommunaler Eigenregie hat Charme und Perspektive, kommentiert LKZ-Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.

Im Sport gibt es eine Erkenntnis, die da lautet: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. So ist es nicht auszuschließen, dass das Thema Rettungshubschrauber in unserer Region nicht nur nicht ganz vom Tisch ist, sondern neue Dynamik bekommt. Weist doch der Vorschlag aus der Leonberger Stadtpolitik, einen Luftrettungsbetrieb in Eigenregie zu organisieren, interessante Perspektiven auf.

 

Nicht erst seit Donnerstag, als der zumindest in hiesigen Gefilden zum Buhmann gewordene Staatssekretär Wilfried Klenk die landesweite Neukonzeption der Luftrettung verkündete, ist den Menschen im Raum Leonberg klar, dass der Rettungshubschrauber Christoph 41 am Krankenhaus keine dauerhafte Zukunft hat. Zu deutlich waren Klenks Aussagen, als er vor zwei Wochen unsere Redaktion besucht hatte.

Belehrende Überheblichkeit

Die Verlegung sei ausgemacht, stellte er klar. Den lokalen Beschwerdeführern sprach der CDU-Mann die Beurteilungskompetenz ab. Dass das Rot-Kreuz-Mitglied Klenk Ahnung von der Materie hat, ist unbenommen. Fast 40 Jahre war er hauptamtlich im Rettungsdienst, die meiste Zeit in leitender Funktion.

Doch dass er langjährigen Aktiven aus Feuerwehr, THW und DRK eine Beurteilungsfähigkeit absprach, ließ die Emotionen überkochen. Dass die Proteste, die längst nicht nur aus Leonberg selbst kommen, jetzt im Innenministerium als „völlig schräg“ bezeichnet werden, passt in das Bild einer, vorsichtig formuliert, belehrenden Überheblichkeit. Landrat Roland Bernhard hat recht, wenn er bei Klenk ein auf Ausgleich ausgerichtetes Handeln vermisst.

Aber blicken wir nach vorne: Christoph 41 soll auf dem Dach der Klinik der Berufsgenossenschaft in Tübingen stationiert werden. Dass dort der Bedarf vorhanden ist, zeigt der Umstand, dass auf dem schon vorhandenen Landeplatz reger Betrieb herrscht. Zwar gibt bisher keinen fest stationierten Rettungshubschrauber; aber die Befürchtung, dass es auf dem Klinikdach eng werden könnte, wenn Christoph 41 zusätzlich dort hinkommt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Allerdings nicht unbedingt das Problem in der westlichen Region Stuttgarts. Hier geht es vielmehr darum, wie künftig gerade auf den Autobahnen mit ihren Unfallschwerpunkten möglichst schnell Mediziner und Helfer vor Ort sein können. Insofern zeigt der Vorstoß der Freien Wähler, den jetzt der Leonberger OB aufgegriffen hat, in die richtige Richtung: Ist es machbar, dass die besonders betroffenen Landkreise Böblingen, Calw und Enz gemeinsam eine Luftrettung organisieren und finanzieren?

Die Notärzte kommen aus der Klinik

Die Infrastruktur, darauf hat der FW-Fraktionschef Axel Röckle hingewiesen, ist am Leonberger Krankenhaus komplett vorhanden. Das ist ein wichtiger Aspekt, werden doch die Investitionskosten für einen Hubschrauber-Landeplatz mit Hangar mit drei bis fünf Millionen Euro veranschlagt. OB Martin Georg Cohn bringt zudem eine Kooperation mit dem Klinikverbund ins Gespräch. Das macht Sinn: Denn die Notärzte im Helikopter kommen aus dem Krankenhaus. Für die Leonberger Klinik ist das ein wichtiger Standortfaktor.

All das bringt Bewegung in die starren Fronten der Parteipolitik. Der Grünen-Abgeordnete Peter Seimer, bisher ein strammer Verfechter der Klenk-Linie, spricht von einem interessanten Vorschlag, der verfolgt werden müsse. Deshalb sollten die hiesigen Akteure ihren Frust in neue Energie umwandeln, um etwas zu entwickeln, an das vor einigen Wochen wohl kaum einer gedacht hätte. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.