Es geht um die Gesellschaft der Zukunft, um Pflegeroboter und autonom fahrende Autos, um riesige Datenmengen und um ethische Standards. Im Wettlauf um die besten Positionen bei der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) will Baden-Württemberg möchte nicht hinterher hecheln. Deshalb reiste Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) nach Paris.

Paris - Die schiere Größe beeindruckt die kleine Delegation aus Baden-Württemberg. Station F, der umgebaute Bahnhof mitten in Paris, glänzt mit schickem Ambiente und er bietet Platz und Unterstützung für 1000 Startups. Station F versteht sich als der größte Brutkasten der Welt für Jungunternehmer in der Digitalbranche. „Wenn man nur so einen Platz hätte“, seufzt Harald Unkelbach, der Vizepräsident des baden-württembergischen IHK-Tages. Dass man so eine Startup-Initiative braucht, darin sind sich die Reisenden aus dem Südwesten einig. Am besten speziell für den Bereich Künstliche Intelligenz (KI), der bald alle Lebensbereiche durchdringen wird, vom Gesundheitswesen mit Pflegerobotern bis zum autonomen Fahren oder den Büroalltag, wie die Wissenschaftler sagen. Am besten gemeinsam mit Frankreich.

 

Frankreich und Deutschland sehen sich als Motor einer europäischen KI-Strategie. Die Initiative des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zieht deutsche Politiker magisch nach Paris. Am Morgen kam Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), anderntags Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und dazwischen Theresia Bauer, die grüne Wissenschaftsministerin Baden-Württembergs.

Baden-Württemberg will Teil der Initiative sein

„Wir wollen die Initiative politisch unterstützen und wir wollen Teil davon sein“, erklärte Bauer an allen Stationen ihres zweitägigen Besuches in Paris. Dass Baden-Württemberg etwas zu bieten hat, demonstrieren Andreas Geiger und Wolfram Burgard im Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS). Geiger leitet die Forschungsgruppe autonomes maschinelles Sehen am Max-Planck-Institut und ist Professor in Tübingen. Burgard ist mit der Universität Freiburg ganz vorn in der Robotik. Sie hoffen auf eine gemeinsame europäische Antwort auf die Vorherrschaft Amerikas und Chinas.

Doch den Reisenden, darunter ein ausgewähltes Häuflein von Bundestagsabgeordneten, die meisten von ihnen Mitglieder in einer neu installierten Enquetekommission des Bundestags zur Künstlichen Intelligenz, bietet sich ein unterschiedliches Bild. In Station F wird klar, die Konzentration der Startups auf den nationalen Markt ist zu kurzsichtig. Am französischen Forschungsinstitut für Informatik und Automation (Inria) oder auch bei France Strategie, der Denkfabrik des französischen Premierministers, erschien manchem Besucher jedoch die Begeisterung für die europäische Kooperation nicht besonders ausgeprägt. Dennoch schlägt die Aufbruchstimmung durch.

Präsidentenberater begeistert Delegation

Geradezu begeistert hat die Delegation das Treffen mit dem schillernden Präsidentenberater Cédric Villani. Der vielfach ausgezeichnete Mathematiker und Parlamentsabgeordnete hat das Strategiepapier KI für Macron erarbeitet. Er wärmte das Herz der Delegation mit einem entschiedenen Bekenntnis zur Kooperation. Frankreich brauche Deutschland und Europa. Europa müsse seine Ressourcen verbinden. „Es ist eine Herausforderung, die besten Experten zu halten“, plaudert er beim Dinner. Datenriesen wie Google gründen in Paris Forschungszentren zu KI. Sie zahlen das Zehnfache der Professorengehälter an den Universitäten und sie locken mit Rechnerkapazitäten, von denen viele Forscher nur träumen können.

„Wenn wir nicht schnell reagieren, sind wir aus dem Spiel“, konstatiert Villani. Die Hardware sieht er als Wettbewerbsfaktor, „da ist Europa ein Zwerg“. Ein weiteres Problem ist das Vertrauen. Villani führt die öffentliche Debatte, um die Bedenken gegen die künstliche Intelligenz auszuräumen. Wenn das Vertrauen in die Datensicherheit fehlt, kann das die ganze Entwicklung blockieren, sagt der Wissenschaftler - und die Bevölkerung ist skeptisch.

Auch die Industrie will überzeugt werden. Sie mag ihre Daten aus Wettbewerbsgründen ungern teilen. Doch sie sind entscheidend für die weitere Entwicklung. Villani jedenfalls hofft, dass das Treffen mit den Baden-Württembergern „ein Schritt in einer langen fruchtbaren Zusammenarbeit ist.“

Starfotos mit Mathematiker

Der Charismatiker mit dem roten Halstuch ist das Gesicht der KI in Frankreich. „So einen Botschafter für KI kann man sich nur wünschen“, meint Theresia Bauer stellvertretend für die gesamte Delegation. Die ist so hingerissen, dass nahezu jeder der Teilnehmer für ein gemeinsames Handyfoto mit dem wissenschaftlichen Superstar posieren will.

Nicht nur das Foto nehmen die Reisenden mit. Andreas Geiger sieht einige konkrete Ansatzpunkte für die deutsch-französische Zusammenarbeit, die auch bei den Wissenschaftlern von CNRS auf Interesse gestoßen sind. Er schlägt beispielsweise gemeinsame Doktorandenteams vor. Zwar sei die Wissenschaft schon international aufgestellt. Aber Geiger sagt, „auch wir würden von einem starken Netzwerk profitieren. Wir könnten neue Forschungsfelder besser erschließen. Wenn es in Europa ein KI-Netzwerk gäbe, würde das die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.” Auch eine deutsch-französische KI-Konferenz könnte er sich vorstellen.

Bauer plant Konferenz der Wissenschaftler

Da ist er ganz auf einer Linie mit Theresia Bauer. Die Ministerin ist entschlossen, die Kooperationen weiter voranzutreiben. „Als forschungsstärkste Region Europas muss Baden-Württemberg ein starker Ankerpunkt in einem grenzüberschreitenden KI-Netz sein”, erklärte sie. Es gelte, eigene Standards und Schwerpunkte in Europa zu setzen. „Wir sind uns im Kabinett einig, dass wir Baden-Württemberg als KI-Standort mit allen Kräften voranbringen”, versichert Bauer. Sie will zu einer Konferenz der Wissenschaftler einladen und denkt an ein Gründerprojekt mit landesweiter Ausstrahlung. Die Universitätsrektoren will sie dazu animieren, Kooperationsmöglichkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz zu prüfen. Auch die Kammern wollen bei einem Netzwerk mit Frankreich nicht abseits stehen, versichert Harald Unkelbach.