In Heilbronn locken private Investoren mit ihrem Zukunftsfonds junge Unternehmen und Gründer aus Hightech-Branchen an den Neckar. Doch der Fonds-Geschäftsführer Thomas Villinger beklagt, dass anderswo mehr Gründergeist herrscht als in Baden-Württemberg.

Stuttgart – - Thomas Villinger hat viel Erfahrung mit Gründern: Bevor er Geschäftsführer des Zukunftsfonds Heilbronn wurde, hat er in den USA und in Deutschland zahlreiche Gründer auf ihrem Weg begleitet. Der 50-jährige Betriebswirt weiß, wo Stolperfallen und Chancen liegen – sowohl für die Gründer als auch für Finanzierer und die Politik.
Herr Villinger, ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass die Gründerzahlen in Baden-Württemberg seit Jahren zurückgehen und das Land seinen Vorsprung im Hochtechnologiebereich verloren hat. Ist das alarmierend?
Natürlich! Wo soll denn der künftige Mittelstand herkommen? Wir ruhen uns noch viel zu sehr auf den Unternehmen aus, die wir vor 40 Jahren aufgebaut haben. Dabei ist völlig klar, dass nur die erste Generation eines Unternehmens wirklich gut ist, weil die Erbengeneration selten den gleichen Biss und Hunger hat wie die Gründergeneration. Es ist also absehbar, dass viele der Mittelständler im Land ihren Zenit überschritten haben. Wir brauchen dringend eine Frischzellenkur für den Mittelstand in Baden-Württemberg.
Woran liegt der Stillstand?
Natürlich einerseits an der Vollbeschäftigung bei Fachkräften und Hochqualifizierten. Unternehmen werden in Krisenzeiten geboren oder wenn Konzerne in Schieflagen geraten. Es liegt aber auch daran, dass uns einfach der Gründergeist fehlt. Unternehmer zu sein ist nicht cool. Das muss sich ändern. Die USA sind da ein Vorbild.
Was ist dort anders?
Die Amerikaner sind unternehmerisch geprägt. Wenn man dort jemanden fragt, ob er mit 35 Jahren Millionär sein will, fühlt er sich angespornt. In Amerika will jeder aus seinem Leben etwas Tolles machen. Und wenn man es geschafft hat, zeigt man das auch. Wenn man dort ein Unternehmen gegründet hat, geht man mit seinem Investor auf eine Gartenparty, und alle klopfen den beiden auf die Schulter und fragen, ob sie mit dabei sein können.
Gehen deutsche Unternehmer nicht auf Gartenpartys?
Sie würden sich nie hinstellen und sagen: „Schau mal, ich hab ein Unternehmen gegründet, und das hier ist mein Investor.“ Da tuscheln doch gleich alle: „Ach guck mal, der ist bestimmt reich. Der fährt bestimmt Porsche. Wo hat der denn so viel Geld her? Der kriegt doch bestimmt nur irgendwelche Fördergelder, die ich bezahlen muss.“ Das ist die deutsche Denke.
Das klingt nach sehr tiefgreifenden kulturellen Unterschieden.
Stimmt. Ich habe die Hoffnung, dass fitte und ambitionierte Leute, die aus dem Ausland zu uns kommen, Impulse geben können. In der aktuellen Schieflage der EU kommen zu uns Menschen, die trotz guter Ausbildung die Erfahrung gemacht haben, dass sie in ihrem Land nichts erreichen können. Alleine die Tatsache, dass sie zu uns kommen, zeigt, dass sie sich bewegen können und wollen, dass sie vielleicht sogar das Zeug zum Gründer haben. Ich bin sicher, das wird uns guttun.
Müssen wir auf Impulse von außen warten?
Wenn ich mir die vergangenen 15 Jahre anschaue, habe ich durchaus das Gefühl, dass wir auch im eigenen Land einen Paradigmenwechsel erleben, der in die richtige Richtung führt. Ich nehme seit einer Weile eine Veränderung im Bewusstsein der Politik wahr – vor allem in der Bundespolitik. Dass der Bundeswirtschaftsminister in Silicon Valley war und überlegt, was wir von den Amerikanern lernen können – das bringt Schwung in das Thema. Wir brauchen nicht nur Fördermittel, wir brauchen ein anderes Bewusstsein. Wichtig ist aber auch, das „Positive“ der Amerikaner in einen eigenen Weg zu integrieren; alleine das Kopieren führt nicht automatisch zum Erfolg.
Sollte Nils Schmid auch mal dorthin reisen?
In der Landespolitik gibt es noch viel Nachholbedarf, und das liegt nicht nur an der jetzigen Regierung. Wir haben hier im Land tolle Studenten, wir haben tolle staatliche und private Hochschulen, und wir haben exzellentes technologisches Wissen. Das darf uns nicht verloren gehen. Wir dürfen uns nicht auf dem Gefühl ausruhen, dass wir den gesunden Mittelstand schon haben. Wenn wir so weitermachen, werden uns andere Bundesländer abhängen. Bayern zum Beispiel ist auf der Überholspur. Gerade München hat eine Technologieszene, die vom Feinsten ist. Da war vor 15 Jahren nichts – heute ist das der
Standort für Biotechnologieunternehmen.