Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)
Arbeitsmarktforscher warnen davor, dass durch die Digitalisierung auch höher qualifizierte Jobs wegfallen könnten. Geht uns die Arbeit aus?
Nein, aber sie wird sich stark verändern, wenn etwa künstliche Intelligenz weiter in die Dienstleistungsbranche vordringt – zum Beispiel bei Banken oder Versicherungen. Auch im Gesundheitswesen oder in der Altenpflege steht die Digitalisierung erst am Anfang. Roboter könnten helfen, auch soziale Jobs zu rationalisieren. Angesichts des demografischen Wandels brauchen wir einen höheren Grad an Automatisierung, um die Produktivität zu erhöhen. Anders wird es nicht gelingen, den nicht arbeitenden Teil der Bevölkerung zu ernähren. Zuwanderung allein kann den Fachkräftemangel nicht ausgleichen. Die Herausforderung wird sein, den Übergang zwischen neuer und alter Arbeitswelt vernünftig abzufedern.
Schon oft lagen Wissenschaftler mit Zukunftsprognosen daneben. Haben Sie mittlerweile bessere Werkzeuge?
Nichts ist so unsicher wie die Zukunft. Bestimmte Entwicklungen wie die Auswirkungen der Digitalisierung zeichnen sich schon in der Gegenwart ab. Da weiß man ungefähr, wie und wohin der Hase läuft. Man kann aber nie ausschließen, dass unerwartete Dinge geschehen. Kein Zukunftsforscher kann auch nur ahnen, was passieren würde, wenn etwa US-Präsident Donald Trump Nordkorea bombardieren würde. Und es kann natürlich sein, dass ein Trend, der sich heute abzeichnet, unerwartet abbricht. Wir sehen im Moment keine extrem großen technologischen Durchbrüche wie etwa den Mikroprozessor. Trotzdem kann schon nächstes Jahr etwas völlig Neues kommen, an das niemand gedacht hat.
Manche behaupten, dass Science-Fiction-Autoren höhere Trefferquoten haben als Zukunftsforscher.
Das ist ein Argument, das immer wieder kommt. Aber wenn man die SF-Literatur mal systematisch anschaut, liegen sie zu 90 Prozent daneben – wenn etwa Roboter ausgemalt werden, mit denen man über den Sinn des Lebens reden kann wie mit einem Menschen. Dahinter steckt der alte Traum vom Homunkulus, der immer wieder in der Literatur aufgegriffen wird. Seriöse Wissenschaftler arbeiten nicht mit der einen Zukunft, sondern mit verschiedenen Zukünften, die unter bestimmten Voraussetzungen eintreten.
Angesichts des Klimawandels wird auch über die technische Beeinflussung des Klimas nachgedacht. Übernehmen wir uns nicht, wenn wir in immer komplexere Systeme eingreifen, die wir kaum noch verstehen?
Das tun wir an vielen Stellen. Ich war im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bei einem Autobauer. Da erfuhr ich, dass selbst die Entwickler die Software in einem Auto nicht mehr richtig verstehen, denn in einem Fahrzeug arbeiten heute Tausende Algorithmen von unterschiedlichen Zulieferern zusammen. In der Finanzkrise sagten mir Leute aus der Branche: Herr Renn, wir verdienen zwar Geld mit Derivaten, aber wie sie funktionieren, verstehen wir selber nicht mehr. Ähnlich ist es, wenn man wissen will, wie die Ergebnisse einer Google-Suche genau zustande kommen.
Wenn beim Eingriff ins Klima etwas schiefläuft, ist der Schaden größer.
Das stimmt. Aber wenn es nicht gelingen sollte, den Kohlendioxidausstoß so stark zu senken wie nötig, brauchen wir möglicherweise auch einen Plan B, um den Temperaturanstieg zu bremsen und seine Folgen abzumildern.