Die Realschulen im Land sollen sich weiterentwickeln. Der Kultusminister Andreas Stoch will ihnen zusätzliche Deputate geben, damit sie Schüler mehr individuell fördern können. Auch den Hauptschulabschluss soll man dort machen können.

Stuttgart - Opposition wirkt“ – so frohlockt die Landtags-CDU. Das neue Realschulkonzept von Grün-Rot sei in Wahrheit bei der CDU abgekupfert, stellt die Union fest. Schon vor einem Jahr hätte die Regierung das haben können, denn so lange liege das Unions-Konzept schon auf dem Tisch. Der Umgang mit den Realschulen war eines der Felder, auf denen die CDU schwerste Geschütze gegen die grün-rote Bildungspolitik auffuhr. Sie wird diese jetzt umorientieren müssen.

 

Auch die oppositionelle FDP zeigt sich beeindruckt. Wenn der Kultusminister seine Ankündigung wahr mache, „hätte er einen bemerkenswerten Schritt unternommen, um sich von den starren und einseitigen Vorgaben der bisherigen Bildungspolitik der grün-roten Koalition freizuschwimmen“, heißt es. Aber so ganz glauben die Liberalen Stoch nicht und wollen erst abwarten, ob er „der Versuchung politischer Einflussnahme auf die pädagogische Arbeit der Realschulen widersteht.“

Mit der Bildungspolitik der Regierung ist nicht nur die Opposition unzufrieden. Auch Lehrer, Eltern, Schüler und die Wahlbürger sind es. Wenn es dem Kultusminister gelingt, diesen Frontabschnitt zu befrieden, ist für die Koalition eine ganze Menge gewonnen.

Zustrom an Realschulen

Ausschlaggebend für den Durchbruch war die Aufgabe des Einsparziels. Das sagt Stoch selbst. Erst im Sommer ist Grün-Rot von der Festlegung abgerückt, bis 2020 rund 11 600 Lehrerstellen zu streichen. „Da kann man nicht über zusätzliche Ressourcen verhandeln“, sagt Stoch. Aber „jetzt ist das anders.“

Die Turbulenzen an der Realschule sind eine Konsequenz der grün-roten Bildungspolitik. Sie hat nach Regierungsantritt die verbindliche Schulempfehlung abgeschafft. Eltern können jetzt ihre Kinder auf die weiterführende Schule ihrer Wahl schicken und sind nicht mehr ans Votum der Grundschullehrer gebunden.

Das führte zum Niedergang der Haupt- und Werkrealschule und zum Aufschwung von Gymnasium und Realschule. Im Schuljahr 2013/14 wechselten nur noch 11,9 Prozent der Grundschüler an Haupt- oder Werkrealschule, aber 36,2 und 44,6 Prozent an Realschule und Gymnasium. In der Folge gingen auch die Quoten der Sitzenbleiber in den Eingangsklassen an beiden Schularten nach oben. Manche Realschüler und Gymnasiasten sind für ihre Schulkarriere weit weniger gut gerüstet als es der Ehrgeiz ihrer Eltern nahelegt.

Zuerst wird sich orientiert

Die Realschulen fürchteten um ihren Ruf und darum, im von Grün-Rot ausgerufenen nur noch zweigliedrigen Schulsystem zwischen dem Gymnasium und der Gemeinschaftsschule zerrieben zu werden. So war die Rede von „bewusst gesteuerter Ungleichbehandlung und Benachteiligung.“ Die Realschulen sahen sich unter Druck, sich mehr oder weniger freiwillig zu Gemeinschaftsschulen umzuformen.

Das hat sich erledigt, wenn Schüler auf der Realschule künftig auch den Hauptschulabschluss machen können, also eine Alternative zum Scheitern haben. Ziel sei, den Schülern in ihrer wachsenden Verschiedenheit gerecht zu werden, so Stoch.

Dazu soll es künftig an Realschulen stärkere individuelle Förderung geben. Die Klassen fünf und sechs dienen der Orientierung. Um die Versetzung geht es erst ab Klasse sechs. Die Stufen sieben und acht sollen die Differenzierung einleiten. Wie eine Schule das macht, ob im Kurssystem oder in den Klassen, bleibt ihr überlassen. Danach soll der Schüler wissen, ob es der Hauptschulabschluss sein soll oder die mittlere Reife. „Ab Klasse 9 brauchen wir die Prüfungsvorbereitung“, sagte Stoch.

Kein verpflichtender Ganztagesbetrieb

Wie sich Real- und Gemeinschaftsschulen unterscheiden, erklärt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Realschulrektoren, Kurt Pilsner. Ein verpflichtender Ganztagesbetrieb sei für Realschulen nicht vorgesehen. Zudem sei die Fokussierung auf individuelle Förderung an Gemeinschaftsschulen stärker. Dennoch stünden die Realschulen vor einer großen Veränderung, bei deren Bewältigung sie die Unterstützung des Ministeriums brauchten.