Filderstadt wächst und wächst. Das bleibt nicht ohne Folgen. In Bürgerkonferenzen dürfen die Bewohner der Ortsteile mitreden und ihre Ideen einbringen.

Filderstadt - Man mag es gut finden oder auch nicht, Fakt ist: Filderstadt wächst, und dies überdurchschnittlich. Seit den 1960ern haben die Ortsteile zusammengenommen um mehr als 140 Prozent an Einwohnern zugelegt, und laut Richard Reschl, Stadtsoziologe und -planer aus Stuttgart, ist das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht.

 

Nach seiner Prognose wird die Zahl der Filderstädter in den kommenden 15 Jahren um nochmals 2000 auf 48 000 ansteigen. Der Hauptgrund ist die herausragend gute Jobsituation in der Region. Nur wohin mit all den Menschen? Und vor allem: Wohin soll es gehen mit Filderstadt?

Diese Frage will die Stadtverwaltung gemeinsam mit den Bürgern klären. Am Dienstag war der Auftakt für einen neuen Beteiligungsprozess. In ganztägigen Workshops sollen nacheinander in allen fünf Ortsteilen spezifische Entwicklungskonzepte festgezurrt werden. Anderthalb Jahre hat der OB Christoph Traub dafür angesetzt. Los geht es am 27. Oktober in Plattenhardt. „Wir wollen wissen, wo sind die Probleme und welche Lösungen sind vorstellbar“, erklärte Thomas Haigis, der Bürgerreferent. Die Fachämter werden die Infos dann aufarbeiten und in Stadtteilkonzepte gießen. Ein Gefühl dafür, was die Menschen umtreibt, hat die Verwaltung bereits erhalten. Haigis’ Team hat Vorabgespräche mit Fokusgruppen geführt – mit Vertretern aus Vereinen, dem Handel oder von Schulen, mit Jungen, Alten, Migranten und, und, und. Deren Anregungen sollen bei den Konferenzen als Basis dienen. Für Plattenhardt etwa scheint ein Thema gesetzt: das ausblutende Ortszentrum.

Manche Priorität der Bürger ist bereits berücksichtigt

Neu ist das Thema Bürgerbeteiligung in Filderstadt nicht. Bereits seit etwa neun Jahren läuft ein Entwicklungsprozess für die Gesamtstadt, so Haigis. Fünf Konferenzen hat es in dieser Zeit gegeben, „daraus sind Maßnahmen entstanden, die von der Verwaltung und dem Gemeinderat im ISEK 1.0 und 2.0 festgelegt wurden“. ISEK steht für Integriertes Stadtentwicklungskonzept, das Wort integriert fürs Zusammenspiel von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft. Es umfasst Handlungsfelder wie Mobilität, Kultur, Inklusion oder Freiräume und wird ständig fortgeschrieben. Einiges, was Bürger bei Befragungen oder Workshops priorisiert hatten, sei bereits umgesetzt, betonte Haigis. So habe die Stadt das Stromleitungsnetz gekauft und einen Seniorenbericht erstellt.

Vor allem das Thema Wohnen ist eine Sache, die drängt und gleichzeitig den meisten Zündstoff birgt. Impulse gaben den etwa 70 Zuhörern beim Auftakt am Dienstagabend der genannte Stadtplaner Richard Reschl, außerdem Konrad Hummel, Diplompädagoge und ehemals mit der Leitplanung der Geschäftsstelle Bürgerengagement im Sozialministerium des Landes befasst. Richard Reschls zentrale Aussage: „Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass wir in immer dichteren Verhältnissen leben werden.“ Dazu gehöre vor allem die Nachverdichtung im Innenbereich, wie von der Bundesregierung gefordert.

Was wäre ein Gewinn für die Filderstädter?

Dabei stellte Reschl jedoch klar, dass eine qualitätsvolle Quartiersentwicklung, die das Umfeld aufwerte und für den Bürger einen Gewinn darstelle – etwa durch Grünflächen oder eine neue Infrastruktur –, durchaus Akzeptanz finden könne. Der Schlüssel sei ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung.

Konrad Hummel mahnte jedoch, bei allem Baudruck das Thema Identität nicht auszuklammern. „Zur Verdichtungsdebatte gehört auch die Vitalität des urbanen Lebens“, sagte er und rief etwa Sozialverbände auf, sich in die Stadtplanung einzumischen.