Auf dem Weg zur Ausgliederung startet der VfB Stuttgart mit einer Zukunftswerkstatt in die heiße Phase. Am 17. Juli wird der VfB die Ausgliederung der Profiabteilung zur Abstimmung stellen.

Stuttgart - Es gibt für Fußballprofis viele Möglichkeiten, einen freien Sonntag zu verbringen – Georg Niedermeier entscheidet sich für eine sehr ungewöhnliche Variante. Am Tag nach dem 1:2 gegen Hannover sitzt der VfB-Verteidiger stundenlang mit Fans am Tisch und diskutiert darüber, wie es strukturell mit dem Club weitergehen könnte. „Für einen Spieler ist das interessant“, sagt Niedermeier, „heute bin ich aber nur privat als Mitglied hier.“

 

Rund 750 weitere VfB-Mitglieder sind dem Aufruf gefolgt, sich an der Vereinsentwicklung des Fußball-Bundesligisten zu beteiligen. Zukunftswerkstatt nennt sich die basisdemokratische Veranstaltung für Fortgeschrittene, bei der die Leute in der weiß-rot ausgeleuchteten Stuttgarter Schleyerhalle in wechselnden Kleingruppen zusammensitzen und sich intensiv austauschen. Sie sind diesmal nicht nur einfache Mitglieder – sie werden von der Clubführung zu „Vereinsentwicklern“ geadelt.

Es ist der nächste Schritt auf dem Weg zur Mitgliederversammlung am 17. Juli. Dann wird der VfB die Ausgliederung der Profiabteilung zur Abstimmung stellen – und niemand kann der Vereinsführung vorwerfen, die Basis vor dieser wegweisenden Entscheidung nicht ausreichend eingebunden zu haben. „Die Leute goutieren es unglaublich, das wir den Worten Taten folgen lassen“, sagt Rainer Mutschler, der das Projekt Vereinsentwicklung leitet.

Der hohe Aufwand des VfB

Wohl nie zuvor hat ein Bundesligist beim Austausch mit seinen Mitgliedern einen derart hohen Aufwand betrieben. Vergangenes Jahr hatte die Clubführung damit begonnen, ein Stimmungsbild einzuholen und den Ist-Zustand zu analysieren. Es folgten zu Beginn des neuen Jahres elf Regionalversammlungen in ganz Württemberg, bei denen sich Fans und Mitglieder Gehör verschaffen konnten. Bei jeder einzelnen war der Präsident Bernd Wahler zugegen und bemüht darum, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.

Weiter geht es im April auf einer weiteren Ochsentour durchs Land, wenn auf elf   weiteren Regionalversammlungen die Ideen vertieft werden, die aus der Zukunftswerkstatt hervorgehen. Keine konkreten Beschlüsse werden in der Schleyerhalle getroffen, dafür aber Handlungsempfehlungen entworfen, die anschließend auf dem Tisch des Vorstands landen. „Nichts wird unter den Tisch gekehrt“, sagt Bernd Wahler, „wir schaffen mit diesem Prozess die Grundlagen für die Zukunft des VfB.“

Ergebnisoffen sei dieser Prozess, darauf hat der VfB von Beginn an hingewiesen. Also geht es an den Tischen auch um Themen wie Werte oder Vereinskultur. Über allem schwebt aber die Ausgliederung, das große Ziel des VfB, das hinter all den Mühen steckt. Es ist ein sehr emotionales Thema, das wissen sie im Verein, weil die Mitglieder um ihre Mitspracherechte fürchten und sich fragen, ob das Geld der Investoren auch wirklich sinnvoll eingesetzt wird.

Die Aussage des Daimler-Managers

Wilfried Porth, VfB-Aufsichtsrat und Daimler-Personalvorstand, kann den Leuten zumindest eine Sorge nehmen: dass sein Konzern im Falle einer Ausgliederung dem VfB ins Handwerk pfuscht. Sein Konzern verbinde mit der angestrebten strategischen Partnerschaft „keine wirtschaftlichen Interessen“ und strebe demnach auch „keine Rendite“ an. „Wir wollen durch eine Investition nur unsere Leidenschaft für den VfB untermauern.“ Auch eine Daimler-Werkself solle es nicht geben. Es gehe nur darum, „den VfB-Verantwortlichen zu helfen, selbst für den Erfolg zu sorgen“. Das seien Interessen, so meint Porth, „die den Mitgliedern passen müssten“.

Das Bekenntnis zur Beruhigung der Gemüter wäre an dieser Stelle gar nicht nötig gewesen. Denn emotional geht es nicht zu, sondern konstruktiv. „Total spannend“ findet der Sportvorstand Robin Dutt, der wie alle anderen Verantwortungsträger mit an den Tischen sitzt, den Austausch mit den Mitgliedern. „Begeistert“ zeigt sich Wahler von der Arbeitsatmosphäre, die bisweilen so intensiv ist, dass viele vergessen, dass es die Currywürste am Imbissstand gratis gibt: „Das ist sagenhaft und einmalig.“

Doch wissen sie beim VfB genau, dass es trotz aller Bemühungen schwierig werden dürfte, bei der Mitgliederversammlung die erforderliche Dreiviertelmehrheit für die Ausgliederung zu bekommen. Doch sie wissen auch: mehr können sie nicht tun, als die Basis auf diese Weise einzubinden. Und bestimmt können sie am 17. Juli auch auf die Stimme von Georg Niedermeier zählen. Vorher müsste der VfB allerdings seinen Vertrag verlängern.